Die Katze die Brahms spielte
Norden jede Unterhaltung mit Bemerkungen über das Wetter einleitete, fast, als gehöre es sich so. »O ja«, sagte er mit einer dramatischen Handbewegung, »die Wasseroberfläche und der verhaltene Wind sind ziemlich beunruhigend.« Als ihm der Anwalt einen mißtrauischen Blick zuwarf, fügte Qwilleran hastig hinzu: »Ich würde Ihnen gerne etwas zu trinken anbieten, aber ich hatte noch keine Gelegenheit, Vorräte zu kaufen. Wir sind erst gestern angekommen.«
»Das hat Fanny mir gesagt. Wir freuen uns, daß ein Verwandter von ihr in der Nähe ist. Sie ist so allein – die letzte der Klingenschoens.«
»Wir sind nicht ... wirklich ... verwandt«, sagte Qwilleran etwas unkonzentriert. Er konnte Yum Yums Nase verstohlen unter dem Rand des Sofas auftauchen sehen, nicht weit vom Fuß des Anwalts entfernt. »Sie und meine Mutter waren Freundinnen, und alle wollten, daß ich sie Tante Fanny nenne. Jetzt sträubt sie sich gegen diese Anrede.«
»Fanny ist ihr richtiger Name«, sagte Goodwinter. »Als Fanny ging sie aus Pickax weg, um in Vassar oder Wellesley oder wo immer zu studieren, und als Francesca kam sie vierzig Jahre später zurück.« Er gluckste. »Ich finde, der Name Francesca Klingenschoen klingt so bezaubernd absurd. Unsere Kanzlei betreut die Familie seit drei Generationen in rechtlichen Dingen. Jetzt besteht die Kanzlei nur aus meiner Schwester und mir, und Fanny läßt ihre Steuerangelegenheiten, Prozesse und Immobilientransaktionen über Penelope abwickeln. Wir haben sie gedrängt, dieses Anwesen hier zu verkaufen. Ein Ufergrundstück ist eine wahre Goldgrube, wie Sie vielleicht wissen. Fanny sollte einen Teil ihres Grundbesitzes abstoßen, um – äh – zukünftige Schritte zu erleichtern. Sie ist schließlich schon fast neunzig. Sie werden sie zweifellos während des Sommers öfters sehen?«
»Ja, sie hat versprochen, zum Mittagessen heraufzukommen, und ich habe bei ihr noch eine Einladung zu einem Steakessen in Pickax offen.«
»Ach, Fannys berühmtes Steakessen, das kennen wir alle«, sagte Goodwinter mit einem belustigten Gesichtsausdruck. »Sie verspricht Steak, aber wenn es dann soweit ist, serviert sie Rühreier. Man verzeiht ihr ihr exzentrisches Verhalten wegen ihrer – äh – tatkräftigen Beteiligung am Gemeindeleben. Fanny hat die Stadtväter von Pickax praktisch durch Erpressung gezwungen, eine neue Kanalisation zu installieren, die Gehsteige zu reparieren und das Parkplatzproblem zu lösen. Eine sehr – äh – entschlossene Frau.«
Yum Yums ganzer Kopf war nun sichtbar, und jetzt tauchte auch eine Pfote auf.
Der Anwalt fuhr fort: »Meine Schwester und ich hoffen, daß Sie bald einmal mit uns speisen werden. Sie ist eine ehrfürchtige Leserin Ihrer Kolumne und zitiert Sie, als wären Sie Shakespeare.«
»Vielen Dank für die Einladung«, sagte Qwilleran, »aber ich kann noch nicht sagen, wie gesellig ich diesen Sommer sein werde. Ich arbeite an etwas.« Er wies mit einer Handbewegung auf den Eßtisch am anderen Ende des Raumes, auf dem die Schreibmaschine stand und ein Durcheinander von Büchern, Papier, Kugelschreibern und Bleistiften herrschte. Dabei sah er, wie Yum Yums Pfote langsam und vorsichtig nach dem Schnürsenkel des Anwalts faßte.
»Sehr lobenswert«, meinte Goodwinter. »Die Muse muß zu ihrem Recht kommen. Aber denken Sie bitte daran, daß Ihnen das Haus der Goodwinters immer offensteht.« Er hüstelte und fuhr dann fort: »Fanden Sie, daß Fanny – äh – gut aussah, als Sie sie besuchten?«
»Bemerkenswert gut! Sehr aktiv und lebhaft für eine Frau ihres Alters. Es gibt nur ein Problem: Es ist schwer, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Sie hört ausgezeichnet, wie ihr Arzt sagt. Aber sie scheint die meiste Zeit mit den Gedanken woanders zu sein – in ihrer eigenen Welt, sozusagen.« Der Anwalt hüstelte wieder. »Um ganz offen zu sein – und was ich sage, ist vertraulich – wir haben uns gefragt, ob Fanny vielleicht – äh – ein bißchen trinkt.«
»Manche Ärzte empfehlen älteren Menschen täglich ein Schlückchen Alkohol.«
»Nun ja ... um die Wahrheit zu sagen ... der Mann vom Drugstore hat mir berichtet, daß sie in letzter Zeit beträchtliche Mengen Alkohol gekauft hat. Früher ist sie mit einer Flasche gutem Sherry zwei Monate ausgekommen, wie man mir sagte, doch der Hausarbeiter, der jetzt ihre Einkäufe erledigt, kauft nun zwei- oder dreimal die Woche harte Schnäpse.«
»Wahrscheinlich trinkt er sie selber«, sagte Qwilleran.
»Das bezweifeln wir. Tom
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