Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Katze die Brahms spielte

Die Katze die Brahms spielte

Titel: Die Katze die Brahms spielte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
Vom Netzwerk:
ist genau beobachtet worden, seit er nach Pickax kam, um für Fanny zu arbeiten, und alle Berichte sind gut. Er ist ein schlichter Geist, aber verläßlich – ein geschickter Handwerker und ein vorsichtiger Autofahrer. Die hiesigen Barbesitzer versichern mir, daß Tom niemals mehr als ein oder zwei Gläser Bier trinkt.«
»Was für Schnaps kauft er denn?«
»Roggenwhiskey, Gin, Scotch. Keine spezielle Marke. Und immer nur einen halben Liter. Vielleicht denken Sie an dieses vertrauliche Gespräch, wenn Sie Fanny das nächste Mal sehen. Wir alle betrachten sie als ein kostbares Mitglied der Gemeinschaft und fühlen uns für sie verantwortlich. Übrigens, wenn sie Sie um Rat bittet, könnten Sie ihr vielleicht vorschlagen, das große Haus in Pickax zu verkaufen und in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Sie hatte in letzter Zeit ein paar Ohnmachtsanfälle – so nennt sie es jedenfalls. Sie verstehen vielleicht, warum wir uns alle um diese prächtige kleine Lady Sorgen machen. Wir wollen nicht, daß ihr irgend etwas passiert.«
Als der Anwalt sich verabschiedet und seinen Schnürsenkel gebunden hatte und weggefahren war, sahen Koko und Yum Yum Qwilleran mit großen, hungrigen Augen an. Er löffelte die Fülle aus einer halben Pastete heraus, zerdrückte sie zu einem grauen Brei, wärmte sie leicht an und strich sie auf einen Teller, der aussah wie handgemachte japanische Keramik. Die Katzen näherten sich dem Futter in Zeitlupentempo und beschnüffelten es ungläubig. Sie gingen darum herum, als wollten sie herausfinden, welchem Zweck es diente, und zogen sich dann voller Verachtung zurück, schüttelten angewidert ihre Vorderpfoten und sahen Qwilleran mit stummem Vorwurf an.
»Soviel zu den Pasteten«, sagte er und öffnete eine Dose Lachs.
Es wurde abendlich kühl, und er versuchte, im Kamin Feuer zu machen. In einem kupfernen Kohlenkasten lagen Zweige und Zeitungen, im Holzkorb gespaltene Holzscheite und in einem Messingbehälter lange Streichhölzer, doch die Zeitung war feucht, und die Streichhölzer glühten nur schwach auf, bevor sie verloschen. Er startete drei Versuche, dann gab er es auf.
Nach der nervenzermürbenden Fahrt vom Süden herauf und zwei schlaflosen Nächten war er todmüde. Außerdem war er verwirrt von dem plötzlichen Wechsel von betonierten Gehsteigen zu Sanddünen und von den merkwürdigen Situationen, auf die er sich keinen Reim machen konnte.
Er trat an die Fensterreihe, von der aus man auf den See blickte – hundert Meilen Wasser, und am anderen Ufer war Kanada. Die Farbtöne reichten von Silber über Türkis bis zum tiefsten Blau. Wie Rosemary diese Aussicht gefallen würde! Als er versuchte, das alles mit ihren Augen zu sehen, hörte er ein unheimliches Pfeifen in den Wipfeln der höchsten Kiefern. Kein Lüftchen regte sich – nur dieser leise, schrille Pfeifton war zu hören. Gleichzeitig begannen die beiden Katzen – die nach ihrem Lachs-Festmahl eigentlich hätten schläfrig sein sollen – unruhig im Zimmer umherzustreifen. Yum Yum stieß aus keinem erkennbaren Grund durchdringende Schreie aus, und Koko rannte mit dem Kopf aggressiv gegen Tisch- und Stuhlbeine.
Binnen Minuten verwandelte sich der See in eine stahlgraue, mit Schaumwellen durchsetzte Fläche. Dann setzte ohne Vorwarnung ein heftiger Wind ein. Die Wellen wurden zu Brechern, die in schäumenden Wirbeln zerbarsten. Als die hohen Kiefern schließlich zu schwanken begannen, schaukelten die Ahornbäume und die Birken bereits wie Grashalme hin und her. Plötzlich prasselten Regentropfen kurz und abgehackt wie Maschinengewehrfeuer gegen die Fensterscheiben. Der Sturm heulte, die Brandung schlug tosend an das Ufer, Äste wurden abgerissen und fielen krachend zu Boden.
Zum ersten Mal seit seiner Ankunft fühlte sich Qwilleran wirklich wohl. Er entspannte sich. Die Ruhe und der Frieden waren unerträglich gewesen; er war an Lärm und Aufruhr gewöhnt. Heute nacht würde er gut schlafen.
Doch vorher hatte er das Bedürfnis, Rosemary zu schreiben. Er spannte ein Blatt Papier in die Schreibmaschine und riß es gleich wieder heraus. Es wäre passender, mit dem goldenen Füllfederhalter zu schreiben, den sie ihm zum Geburtstag geschenkt hatte.
Er kramte in dem Chaos auf seinem Arbeitstisch herum und entdeckte gelbe Bleistifte, dicke schwarze Stifte vom Fluxion , billige Kugelschreiber und einen alten roten Füllfederhalter, der seiner Mutter gehört hatte. Der elegante goldene Füller von Rosemary war verschwunden.
    Qwilleran schlief

Weitere Kostenlose Bücher