Die Katze die Brahms spielte
machte einen großen Bogen um die Redaktion des Picayune und ging in die Kanzlei von Goodwinter und Goodwinter. »Ich habe keinen Termin«, sagte er zu der grauhaarigen Sekretärin, »aber ich würde gerne mit Mr. Goodwinter sprechen. Mein Name ist
Qwilleran.«
Die Sekretärin war zweifellos eine Verwandte; sie hatte das
schmale Goodwinter-Gesicht. »Sie haben ihn ganz knapp verpaßt, Mr. Qwilleran«, sagte sie freundlich. »Er ist auf dem
Weg zum Flughafen, und er kommt erst am Samstag zurück.
Möchten Sie mit seiner Partnerin sprechen?«
In einer Wolke teuren Parfüms kam die Juniorpartnerin aus
ihrem Büro gestürzt, hielt ihm eine perfekt manikürte Hand
entgegen und sagte mit einem strahlenden Lächeln: »Mr.
Qwilleran! Ich bin Penelope. Alex hat mir von Ihnen erzählt.
Er fährt zu einer Konferenz nach Washington. Wollen Sie
nicht hereinkommen?«
Sie hatte ebenfalls das lange, intelligente Gesicht, das
Qwilleran mittlerweile erkannte, doch wurde es gemildert von
einem Lächeln, das reizvolle Grübchen zum Vorschein
brachte.
Qwilleran sagte: »Ich komme nur vorbei, um über etwas
Bericht zu erstatten, das Ihr Bruder mit mir besprochen hat.« »Über die rätselhaften Schnapskäufe?«
»Ja. Ich kann keinen Hinweis darauf finden, daß unsere alte
Freundin dem Alkohol verfallen ist.«
»Ich bin ganz Ihrer Meinung«, sagte die Anwältin. »Das ist
die persönliche Theorie meines Bruders. Er findet, sie
bekommt eine Whiskeystimme. Ich sage, es sind die
Hormone.«
»Und wie erklären Sie sich die Schnapskäufe des Hausburschen?«
»Wahrscheinlich bewirtet er Freunde. Er hat eine Wohnung
im Kutscherhäuschen, und irgendwelche gesellschaftlichen Kontakte muß er doch haben, oder sein Leben wäre sehr ein
sam.«
»Er ist ein seltsamer junger Mann.«
»Aber sanft und sehr liebenswürdig«, sagte Penelope. »Er ist
ein guter Arbeiter und führt die Aufträge perfekt aus, und
manche unserer reichen Familien würden buchstäblich alles
dafür tun, um ihn zu bekommen.«
»Wissen Sie etwas über seine Vorgeschichte?«
»Nur daß ein Freund von Fanny in New Jersey veranlaßt hat,
daß Tom hierherkommt und ihr hilft. Ist sie nicht eine bemerkenswerte Frau? Sie hat ihr Vermögen in einer Zeit gemacht,
als man Frauen noch nicht mal Verstand zubilligte.« »Ich dachte, sie hätte ihr Geld geerbt.«
»O nein! Ihr Vater hat in den zwanziger Jahren alles
verloren. Fanny hat den Familienbesitz gerettet und danach
ihre eigenen Millionen gemacht. Nächsten Monat wird sie
neunzig, und wir geben eine Party. Ich hoffe, Sie kommen
auch. Wie gefällt es Ihnen in Mooseville?«
»Es wird niemals langweilig. Ich nehme an, Sie wissen von
dem Mord.«
Sie nickte so beiläufig, als hätte er gesagt: »Wissen Sie, daß
heute Mittwoch ist?«
»Daß so etwas in Mooseville passiert, war ein Schock«,
sagte er. »Haben Sie irgendwelche Theorien?«
Sie schüttelte den Kopf.
Sie weiß etwas, dachte Qwilleran, aber ihr Berufsethos verbietet ihr, darüber zu sprechen. »War Dunfield nicht der Polizeichef, der vor ein paar Jahren mit Fanny im Clinch lag? Was
war denn da los?«
Die Anwältin blickte zur Decke, bevor sie kühl antwortete:
»Typische Kleinstadtstreitereien. So was gibt's hier ständig.« Qwilleran gefiel ihre Art. Er genoß diese halbe Stunde in der
Gesellschaft einer intelligenten jungen Frau, die Grübchen
hatte und Schick. Rosemary war attraktiv und eine angenehme Gefährtin, doch er mußte zugeben, daß er fasziniert war von Karrierefrauen Mitte Dreißig. Zärtliche Erinnerungen an Zoe, die Künstlerin, Cokey, die Innenarchitektin und Mary, die
Antiquitätenhändlerin tauchten auf.
Auf dem Rückweg zum Steinhaus erblickte er ein weiteres
Goodwinter-Gesicht. »Dr. Melinda, was tun Sie denn hier?«
fragte er. »Sie sollen doch in der Ambulanz von Mooseville
Touristen zusammenflicken.«
»Heute ist mein freier Tag. Kann ich Sie auf einen Kaffee
einladen?« Sie führte ihn um die Ecke zu einer Imbißstube.
»Hier gibt es den zweitschlechtesten Kaffee im ganzen
Bezirk«, warnte sie ihn, »aber jeder kommt her.«
Er probierte den Kaffee. »Wer hat den schlechtesten? Es ist
sicher nicht leicht, den hier zu schlagen.«
»Diese Auszeichnung gebührt dem Lokal bei der DimsdaleMine«, sagte Melinda gewichtig. »Dort gibt es den
allerschlechtesten Kaffee im ganzen Bezirk und schlechtesten
Hamburger im ganze Nordosten der Vereinigten Staaten. Sie
sollten das Lokal mal probieren. Es ist ein alter Güterwaggon
an der Hauptstraße, an der Kreuzung mit der
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