Die Katze, die für Käse schwärmte
aber dann, daß es schon in Ordnung war, diesem speziellen Journalisten etwas zu erzählen. »Also… was die Haare anlangt: Das passierte, als er bei der Marine war. Er hatte einen Unfall, und seine Haare wurden über Nacht weiß.«
»Was war das für ein Unfall?«
»Irgendeine Panne auf dem Schiff, wurde nie genau aufgeklärt. Aubrey bekam einen Schlag auf den Kopf und fiel ins Meer und ist fast ertrunken. Als sie ihn herauszogen, war er mehr tot als lebendig, aber er kam wieder zu sich. Diese Scottens sind ein zäher Schlag. Aber das Erlebnis hat seine Persönlichkeit verändert.«
»Inwiefern?«
»Nun ja, in der High-School war er ein richtiger Rowdy, und jetzt ist er ein friedlicher Mann, der keiner Fliege was zuleide tun kann! Und dann hat er früher in der Fischerflotte der Scottens gearbeitet; jetzt hat er schreckliche Angst vor Schiffen, und beim Anblick einer großen Wasserfläche bekommt er hysterische Anfälle. Er wurde aus Gesundheitsgründen ehrenhaft aus der Marine entlassen und nach Hause geschickt… Sagen Sie aber bitte niemandem, daß ich Ihnen das alles erzählt habe.« Gary schenkte Qwilleran noch eine Tasse Kaffee ein. »Aber das Ganze hatte auch etwas Gutes! Aubrey wurde eine Art Genie. Er kann alles reparieren – buchstäblich alles! Vorher war er nicht so. Er hat hier den großen Kühlschrank repariert und meine Stereoanlage zu Hause.«
Qwillerans Blutdruck stieg; das Erlebnis der Todesnähe gäbe ein viel interessanteres Thema für seine Kolumne ab als die Bienenstory.
Dann sagte Gary: »Aubrey spricht nicht über seinen Unfall, und seine Familie auch nicht – schon gar nicht mit einem Journalisten. Ein paar Wissenschaftler wollten heraufkommen und sein Hirn untersuchen, aber seine Brüder haben das sofort unterbunden.«
Zum zweiten Mal in zwei Tagen mußte Qwilleran erleben, daß sich ein gutes Thema nicht für die Zeitung verwerten ließ, und das bedeutete… zurück zu den Bienen!
Das Limburger-Herrenhaus erhob sich inmitten der desolaten Landschaft von Black Creek wie ein Geisterhaus. Aber, dachte Qwilleran, als er am Straßenrand stehenblieb, würde man es renovieren, könnte man daraus – mit etwas Phantasie und ein paar Millionen Dollar – ein imposantes Landgasthaus machen. Die Außenmauern – die Ziegel waren horizontal, vertikal, diagonal und im Fischgrätenmuster angeordnet – waren einzigartig. Die hohen, majestätischen Fenster hatten (mit Ausnahme des einen, das beim Halloween-Anschlag in die Brüche gegangen war) buntes oder geätztes Glas oder Glas mit Facettenschliff in den Oberlichten.
Auf dem Verandageländer warteten die aufgereihten Steine auf die Heimkehr des Patienten, und der rotbraune Promenadenmischling, der den Unfall des alten Mannes ausgelöst hatte, lungerte noch immer herum.
Qwilleran stieg vorsichtig über die zerbröckelnde Treppe und läutete. Nichts rührte sich. Er ging um das Haus herum, wobei er ständig sagte: »Braver Hund, braver Hund!« Das Tier winselte, rieb sich mit der Schnauze an ihm und sah ganz einsam und verlassen aus; Qwilleran wünschte, er hätte vom Dimsdale Diner ein paar altbackene Donuts mitgebracht.
»Hallo! Hallo? Ist jemand da?« rief er in die Richtung des verwitterten Schuppens. Die Tür stand offen, und aus dem düsteren Innenraum tauchte eine massige, weißhaarige Gestalt auf. Aubrey wirkte verwirrt.
Qwilleran sagte: »Ich war gestern hier, als Mr. Limburger die Treppe hinunterfiel. Ich bin Jim Qwilleran, erinnern Sie sich? Ich habe Ihnen gesagt, ich würde wiederkommen, um von Ihnen alles über die Bienenzucht zu erfahren.«
»Ich hab’ nicht geglaubt, daß Sie wiederkommen«, sagte der junge Mann. »Die Leute sagen, sie kommen wieder, und dann tun sie es nicht. Ein Mann hat mal zwölf Gläser Honig bestellt, und ich hab’ sie alle in einen Karton verpackt. Ist nie wiedergekommen. Ich versteh’ das nicht. Es ist unfreundlich. Oder finden Sie das vielleicht in Ordnung?« jammerte er mit hoher, klagender Stimme.
»Manche Menschen sind nicht sehr rücksichtsvoll«, sagte Qwilleran teilnahmsvoll. »Wissen Sie, wie es Mr. Limburger geht?«
»Ich komme gerade aus dem Krankenhaus. Er lag im Bett und hat sich fürchterlich über das Essen beschwert. Er ißt gerne Hasenpfeffer und Eisbein und fette Sachen. Ich hab’ mal gesehen, wie er ein Pfund Butter gegessen hat, als wär’s ‘ne Nascherei. Mir wurde schon beim Zuschauen schlecht.«
Qwilleran deutete auf den Schuppen. »Gehört das zu Ihrer
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