Die Katze in der Muelltonne
davon abgebissen und es dann weggeworfen. Ich kann auch sehen, warum. Es ist ganz schwarz und sieht aus wie verbrannt. Mama hat mir mal aus der Zeit erzählt, als sie noch bei einer richtigen Familie wohnte. Da gab es einen Hausherren, der war ein ganz lieber Mann. Aber wenn seine Frau das Toastbrot zu sehr röstete, sodass es ganz schwarz war und wie verbrannt aussah, dann fuhr er aus der Haut, und redete den ganzen Tag kein Wort mehr. Das Haus war danach so ruhig, als würde eine Gewitterwolke darüber schweben.
Ich sehe noch ein Brötchen. Jemand hat es in zwei Hälften geschnitten, etwas darauf geschmiert und dann weggeworfen. Nicht mal abgebissen hat er davon. Ich stoße vorsichtig mit meiner Nase daran. Es riecht ganz gut, und auch wieder nicht. Ich kann nicht erkennen, was für ein Belag darauf ist. Und ich weiß gern, was ich esse. Es muss in einem Stück sein, und man muss es anfassen und bewundern können. Von solch einem Geschmiere hier, lasse ich lieber die Finger.
Und da endlich sehe ich den Fisch. Ich muss die grüne Schale einer Melone beiseiteschieben. Und darunter liegt er.
Ein wenig bin ich schon enttäuscht. Denn es ist nicht mehr viel dran an ihm. Nicht dass er vollkommen abgenagt ist. Aber so richtig satt werde ich bestimmt nicht davon.
„Ja, ich sehe den Fisch“, rufe ich nach oben. „Danke für die Hilfe.“
„Dann lass es dir schmecken“, ruft der Rabe zurück. Dann kichert er noch einmal. Plötzlich gibt es einen riesigen Knall, und mir wird ganz schwarz vor Augen.
Ich meine, es wird dunkel. Nicht so dunkel, wie wir Katzen es mögen. Wenn es Nacht ist, können wir immer noch gut sehen. Das hier, das ist wirkliche Dunkelheit. Ich schaue nach oben. Und da sehe ich die Bescherung. Der Deckel ist zu.
Ja, denke ich. Ist denn der Rabe verrückt geworden? Warum hat er denn den Deckel zugemacht? Weiß er denn nicht, dass kleine Katzen Angst bekommen in völliger Dunkelheit?
Doch nach einigen Sekunden haben sich meine Augen daran gewöhnt, und ich kann auch sehen, warum. Der Deckel hat ein kleines Loch, nicht größer als von einem Nagel. Aber durch dieses kleine Loch scheint die Sonne mit solcher Kraft, dass alles für mich taghell erscheint.
Da klopft jemand von außen an die Tonne. Es ist der Rabe. Er benutzt seinen harten Schnabel dafür und es klingt, als würde jemand mit einem Hammer gegen eine Eisentür schlagen. „Hallo kleine Katze“, ruft er. „Wie geht es dir da drin?“
„Ganz gut“, antworte ich.
„Oh je. Mir ist aus Versehen der Deckel runtergefallen. Nun ist es bestimmt ganz dunkel da drin und du wirst dich sicher ängstigen.“
„Nein“, rufe ich. „Mach dir keine Sorgen. Ich kann alles sehen.“
„Ja, aber wie willst du denn wieder herauskommen?“
„Ich will doch gar nicht heraus. Ich will doch den Fisch essen.“
„Verdammt“, schimpft der Rabe. „Da erlaubt man sich einen Schabernack, und das verrückte Balg freut sich noch darüber.“
Dann höre ich seine großen Flügel schlagen und er fliegt davon.
Endlich kann ich dem Fisch meine ganze Aufmerksamkeit widmen. Ich nehme ihn zwischen die Zähne, und da läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Ich taumele richtig vor Glück. Er ist ganz genauso, wie der Fisch, den ich damals mit meiner Mama gegessen habe. Ich würde fast sagen, es ist derselbe, wenn es nicht so verrückt wäre. Denn ich kann doch schlecht etwas noch einmal essen, was ich vor Monaten schon einmal aufgegessen habe.
Jede einzelne Gräte nage ich vollkommen blank. Und mein Magen beruhigt sich endlich, nicht, weil er satt geworden ist. Sondern es genügt schon, das Aroma zwischen den Zähnen zu spüren, das ist Belohnung genug für ihn.
Jedes kleinste Stückchen Fisch esse ich also auf, und am Ende spiegeln die Gräten sich im dürren Sonnenlicht, wie ein Medaillon, das nach Jahren wieder einmal geputzt wurde.
Danach setze ich mich hin. Die Stacheln in meinem Hintern spüre ich gar nicht. Ich lehne mich mit dem Rücken gegen die Wand, lege die Hand auf meinen Bauch, und dann endlich erscheint ein sehr breites Lächeln auf meinem Gesicht, und ich glaube, so müssen sich die Leute fühlen, wenn sie sagen, dass sie glücklich sind.
Ich spüre überhaupt keinen Schmerz, keine Schwäche keinen Hunger, keine Kälte, keine Wünsche. Ich bin einfach nur rundherum zufrieden. Als wäre ich gerade erste geboren worden und wüsste gar nichts von dieser Welt. Wenn mann größer wird, dann werden die Wünsche auch
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