Die Katze in der Muelltonne
größer. Das ist klar. Aber in diesem Moment bin ich wunschlos glücklich.
Ich schließe ein wenig die Augen und sehe, wie Mama neben mir steht. Sie leckt meinen Bauch, wie sie es immer getan hat, als ich noch sehr klein war. Es kitzelt ganz leicht und man fühlt sich so geborgen. Einen kleinen Moment lang wird mir bewusst, dass es nur ein Traum ist und eine Träne kullert die Wange hinunter. Der Schmerz überwältigt mich, neben meinem Glück, und dann bin ich so erschöpft vom Ansturm der Gefühle, dass ich einfach einschlafe.
Als ich wieder erwache, habe ich etwas Schmerzen im Genick, weil ich im Sitzen eingeschlafen bin und der kleine Kopf die ganze Zeit auf der Brust lag. Ich recke und strecke mich und brauche einige Sekunden, bis ich begreife, wo ich eigentlich bin. In einer Mülltonne. Das ist schlecht. Mit vielen Esswaren, die auch so riechen. Das ist gut. Aber das meiste schmeckt nicht und das Beste habe ich schon blank genagt. Das ist wieder schlecht. Es wird also Zeit aus dieser Mülltonne zu verschwinden.
Und so mache ich mich daran, zu überlegen, wie ich da hochkomme und dann wieder über den Rand nach draußen springen kann. Ich stehe doch auf einem kleinen Berg voller Müll. Da müsste es doch einfach sein, hinaufzuspringen. Und ich probiere es gleich. Aber es ist schwieriger, als gedacht. Der Müllberg unter mir gibt nach und ist auch nicht hoch genug. Und so gebe ich auf.
Werde ich diese dunkle Tonne je wieder verlassen können? Und ich denke an die vielen schönen Dinge da draußen, die ich nun nicht wiedersehen kann.
Da ist zum Beispiel der Bauer Jochen. Der ist so dick, dass er kaum durch eine Tür passt. Jeden Abend geht er in die Wirtschaft, um sein Bier zu trinken. Und wenn er wieder den Weg nach Hause einschlägt, dann torkelt er so sehr, dass niemand weiß, wo er als Nächstes hintritt. Einmal ist er mir genau auf den Schwanz getreten und ich habe geschrien, dass ich dachte, alle Leute würden wach. Aber der Bauer Jochen hat alles übertönt. Er hat nämlich gesungen, falsch und sehr laut. Im nächsten Augenblick war er fort. Aber der Schreck saß noch die ganze Nacht in meinen Gliedern.
Dann ist da noch Fabian, der Fuchs. Er lebt in einem kleinen Waldstück, nahe am Dorf, und hält sich für besonders intelligent. Wenn er aber ins Dorf kommt, um ein Huhn zu stehlen, dann schleicht er ausgerechnet dort über die Straße, wo die Laternen am hellsten brennen, und so wird er auch meist entdeckt und von den Bauern mit Forken und Mistgabeln vertrieben. Er muss schon sehr alt sein. Eines Nachts stand er mir gegenüber. Er sah schwach aus, als hätte er sich schon lange nicht mehr satt gegessen. Und er sagte zu mir. „Geh mir aus dem Weg Kleines. Ich will nach Hause. Früher würde ich dich jagen und fressen. Aber mir ist die Lust daran vergangen. Ich verfluche das Alter. Also geh mir aus dem Weg du junger Spund. Bevor ich so wütend werde, dass ich vergesse, wie alt ich bin.“ So habe ich die Begegnung mit dem Fuchs überlebt, von dem doch alle so viele Horrorgeschichten erzählen.
Dann ist da Elsbeth, die Bäuerin vom Ende der Straße. Die Leute erzählen sich, dass es so schmutzig bei ihr ist. Ich kann dabei nichts finden. Sie hat einen schönen Garten, mit hohen Gräsern, in denen man sich herrlich verstecken kann. Und manchmal ruft sie mich ins Haus. Dort riecht es so wie in dieser Mülltonne, aber es ist schön. Sie stellt mir einen Teller mit Milch hin und schaut zu, wie ich ihn auflecke. Dann trinkt sie etwas, das wie Wasser aussieht, aber sehr scharf riecht, wenn man dem zu nahe kommt. Und wenn eine Flasche davon alle ist, dann fängt sie an zu schnarchen, und ich verdrücke mich, weil ich ihren Kühlschrank doch nicht alleine öffnen kann. Und es hat keinen Sinn einer alten Frau beim Schlafen zuzusehen.
Und schließlich ist da noch die Familie Schulze, alt eingesessen, wie die Leute sagen. Der Vater, ein Bär von einem Mann, arbeitet den ganzen Tag auf dem Feld. Und wenn er abends nach Hause kommt, dann brüllt er, dass das Haus wackelt, dass er was zu essen haben will. Dann fährt die Frau aus ihrem Sessel hoch, wo sie den ganzen Tag in den Magazinen geblättert hat. Meist darf ich ihr dabei zusehen. Aber es ist eben kein richtiges zu Hause. Denn was ist ein zu Hause wert, wenn man vor dem Hausherrn flüchten muss. Und sie macht sich in der Küche zu schaffen. Das ist dann der Moment, wo ich verschwinden muss. Denn wenn der Mann mich sehen würde, würde er mich
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