Die Katze in der Muelltonne
mit der Forke jagen, als wäre ich der Fuchs. Dann gehe ich nach draußen, wo die kleine Marie auf der Schaukel sitzt. Aber sie interessiert sich nicht so sehr für Katzen. Mehr für die Jungens, die auf der Straße mit ihren Fahrrädern vorbeifahren. Dafür hat sie einen Blick.
All das werde ich vielleicht nie wiedersehen. Und das macht mich traurig.
So sitze ich in der dunklen Tonne und überlege, wie schön doch das Leben draußen ist. Da höre ich plötzlich ein Rascheln in der Ecke und da tritt ein kleines Mäuschen hervor und schaut mich mit großen Augen an.
„Muss ich Angst vor dir haben?“, fragt sie leise. „Ich habe gesehen, wie traurig du bist. Und da dachte ich, wir könnten vielleicht reden. Manchmal hilft das.“
„Du kannst reden?“
„Natürlich, alle können das. Du musst nur zuhören.“
„Lebst du hier in dieser Tonne?“
„Ja, seit vielen Monaten. Weißt du, ich bin schon etwas älter und ihr Katzen habt mir schwer zugesetzt. Es gab kaum einen Tag, an dem ich nicht Angst um mein Leben hatte. Und eines Tages hab ich es mir in Tante Carlas Küche gemütlich gemacht. Sie hatte einen Müllsack auf den Boden gestellt, voll mit Kartoffelschalen und sonstigen schönen Resten. Da hab ich mir ein kleines Loch hineingeknabbert und mir drinnen den Bach vollgeschlagen. Plötzlich hat Carla den Sack genommen, hinausgebracht und mit einem Schwung in diese Tonne geworfen. Seitdem lebe ich hier drin. Und ich muss sagen, dass es gar nicht mal so übel ist.“
„Dir gefällt es hier? Du hast es gut. Mich hat der Rabe mit List hier hineingebracht.“
„Na, na. Du wolltest doch unbedingt hinein. Aber dass er hinterher den Deckel zugeschlagen hat. Das war gemein.“
Ich seufze. „Du hast recht. Wie komm ich nun wieder raus?“
„Bleib doch hier. Wir haben genug zu essen. Und draußen gibt es eine Menge böse Tiere. Vor denen bist du hier sicher.“
„Lass gut sein. Auch wenn mir draußen manchmal der eine oder andere Verrückte über den Weg läuft. Ich mag die Welt, so wie sie ist. Nur meine Mama fehlt mir.“
„War das eine Braune mit einer weißen Blesse an der rechten Pfote?“
Ich reiße die Augen auf. „Ja!“
„Und fehlte ein kleines Stück von ihrem rechten Ohr?“
„Ja, ein Dorfköter hätte sie beinahe erwischt.“
„Deine Mama war sehr mutig.“
„Meinst du?“
„Ja, sie hat mir das Leben gerettet.“
„Eigentlich sollte sie dich fressen, nicht wahr?“
Die Maus schüttelt den Kopf. „Nein. Deine Mama wollte keine Mäuse. Sie war ein bisschen wie du. Am liebsten aß sie Fisch. Ich hab das nie verstanden. Aber sie war nun mal so.“
Ich nicke. „Und wie hat sie dich gerettet?“
„Dem Bauer Schulze gehören die meisten Felder um das Dorf herum. Da war vor ein paar Jahren auch ein schönes Feld mit saftigen Zuckerrüben. Dort habe ich mich ein paar Tage satt gegessen. Doch irgendwie bin ich in eine von den Erntemaschinen geraten. Ich bin nicht gerade sehr wachsam, wenn ich gegessen habe, musst du wissen. Ich schlafe dann gern ein wenig.“
Ich nicke. „Ja, das geht mir auch so.“
„Jedenfalls war mein linkes Bein eingeklemmt. Ich konnte mich nur mit Mühe befreien, hatte große Schmerzen und schleppte mich mit Mühe in den nächsten Graben. Dort lag ich also und dachte, ich müsste vor Hunger und Kälte sterben. Da kam deine Mutter vorbei. Mir rutschte vor Schreck das Herz in die Hose. Das kann ich dir sagen. Aber sie war nicht zum Fressen aufgelegt. Sie besah sich den Schaden und sagte sie: Hier kannst du nicht bleiben, mein Junge. Setz dich auf meinen Rücken. Ich bringe dich an einen besseren Ort. Ich fragte, wieso ich ihr trauen sollte. Wenn ich dich fressen wollte, wärst du längst tot, sagte sie. Und da kann man sagen was man will, das war die Wahrheit. So klammerte ich mich also an ihr Fell, und sie trug mich ins Haus des Bauern Schulze. Dort lud sie mich vor einem verlassenen Mauseloch ab und sagte: Kriech dort hinein und kurier dich, so gut es geht. Ich werde dir jeden Tag etwas zu essen bringen. Und sie hat Wort gehalten. Während der Bauer außer Haus war und die Bäuerin in ihren Zeitschriften blätterte, hat sie die Speisekammer geplündert und mir an einem Tag ein Stück Käse hineingeschoben und am nächsten etwas Wurst oder Brot. So war ich bald genesen. Jedes Mal, wenn sie zu mir kam, sagte sie, dass sie das alles nur unter einer Bedingung täte. Ich dürfte niemandem etwas davon erzählen. Sie wollte nicht in den Ruf geraten,
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