Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cleveland Amory
Vom Netzwerk:
hat.
    Anfangs fand ich es hochinteressant, daß Eisbär sich zum Griesgram entwickelt hatte. Ich weiß noch genau, wo wir uns befanden, als es mir das erstemal auffiel – es war schließlich beinahe ein historisches Ereignis. Ich war in der Küche und hatte gerade seine Dose aus dem Kühlschrank geholt – mit dem Futter, das er am Morgen verweigert hatte. Und anstelle des unwirschen »Ajau«, das ich erwartete, hörte ich ganz eindeutig ein Knurren. Ich drehte mich um und sah ihn an. Ich sagte, ich traue meinen Ohren nicht, worauf er – als hätte er genau verstanden, was ich sagte – zuerst sein Futter beäugte, dann mich und dann nochmals knurrte. Diesmal war ich völlig verdattert. Ich hatte tatsächlich richtig gehört. Er hatte geknurrt – und da er ein Kater war und kein Hund, konnte das nur eines bedeuten: Er war ein Griesgram geworden.
    Wie ich vorhin schon sagte, fand ich diese Tatsache zuerst hochinteressant. Ich hatte noch nie von einer griesgrämigen Katze gehört und fand, dies wäre ein weiterer Beweis für Eisbärs Einmaligkeit. Aber als ich dann etwas eingehender darüber nachdachte, wurde mir klar, daß sich hieraus ein Problem ergab: Da ich nämlich selbst auch ein Griesgram bin, lebten nun zwei Griesgrame unter einem Dach, und das kann nicht gutgehen. Dabei ist es meiner Ansicht nach gleichgültig, ob es sich um zwei menschliche Griesgrame handelt oder einen Menschen- und einen Katzengriesgram – es ist einfach einer zuviel an Bord.
    Ich habe zwei Griesgrame gekannt, die unter einem Dach lebten, und sie sind mir bis heute warnendes Beispiel geblieben. Es waren zwei meiner Onkel, die im selben Haus wohnten. Obwohl sie getrennte Wohnungen hatten, tat es nicht gut. Sie sprachen kein Wort miteinander. Sie hatten schon jahrelang kein Wort miteinander gesprochen.
    Höchstens ließen sie sich bei Familienfesten, wie einem Geburtstag oder an Weihnachten, einmal dazu herab, über einen Dritten miteinander zu kommunizieren. Wenn zum Beispiel das Salz vor dem einen stand und der andere es haben wollte, dann forderte er mich auf – meine Mutter setzte mich unweigerlich zwischen die beiden –, »meinen Onkel« zu bitten, das Salz herüberzureichen. Das klappte immer bestens: Der eine Onkel reichte das Salz herüber – aber nicht etwa dem anderen Onkel, sondern mir, und ich gab es dann weiter.
    Ich muß der Gerechtigkeit halber hinzufügen, daß einer der Onkel immerhin versuchte, gewisse Regeln für Begegnungen in der Öffentlichkeit aufzustellen. Eines Tages brach er das bis dahin zehnjährige Schweigen, als sie vor ihrem Club zusammentrafen. »Sir«, sagte er zu dem anderen Onkel, »sollen wir uns verneigen, wenn wir einander begegnen? Mir persönlich ist es völlig gleichgültig – ich überlasse die Entscheidung Ihnen.« Der andere Onkel war so verdutzt über diesen plötzlichen Wortschwall nach Jahren der Stille, daß er sich zwar nicht verneigte, aber immerhin kurz nickte. Von da an pflegten sie einander stets kurz und höflich zuzunicken, wenn sie einander begegneten. Aber gesprochen haben sie nie miteinander, und als sie schließlich starben, hatten sie einen Rekord aufgestellt, der, glaube ich, heute noch steht.
    Ich weiß nicht mehr genau, wann ich zum Griesgram wurde, aber ich glaube, es war in den letzten Jahren meiner verflossenen Ehe. Und ich glaube, ich weiß auch den Grund dafür: Als ich eines Tages in der Zeitung von einer Preisringerin las, ging mir plötzlich auf, daß ein Griesgram wenigstens nur ein Mann sein kann. Frauen können Nörglerinnen sein, aber niemals Griesgrame. Heutzutage können Frauen Pilotinnen und Gewichtheberinnen, Hammerwerferinnen und Jockeys werden; aber Griesgrame niemals! Das soll nicht heißen, daß sie es nicht versuchen. Im Gegenteil! Ich kenne sogar eine Frau, die sich alle Mühe gegeben hat, ein Griesgram zu werden – meine Tante Lolla; aber sie hat nichts weiter erreicht, als ihren Exmann, übrigens einer der beiden Onkel, zum Junggesellen zu machen.
    Im Lexikon heißt es, ein Griesgram sei ein »unfreundlicher und reizbarer alter Mann.« Das stimmt natürlich nicht ganz. Gewiß, eine gewisse Reife gehört zur Griesgrämigkeit dazu, aber »alt« – das ist nun wirklich blanker Unsinn. Ursache ist wahrscheinlich, daß Lexika von jungen Leuten verfaßt werden – wer sonst hätte die Zeit dazu? Aber man sollte doch meinen, daß jemandem mit mehr Reife der Fehler aufgefallen wäre und er den jungen Spritzern erklärt hätte, daß zwischen »Alter« und

Weitere Kostenlose Bücher