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Die Katze namens Eisbär

Die Katze namens Eisbär

Titel: Die Katze namens Eisbär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cleveland Amory
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»Reife« ein Riesenunterschied besteht.
    Wie dem auch sei, das Lexikon ist wenigstens so anständig, zuzugestehen, daß nur ein Mann ein Griesgram sein kann. Als jedoch Eisbär zum Griesgram wurde, fragte ich mich, ob unter Katzen die Griesgramwürde ebenfalls den männlichen Artgenossen vorbehalten ist. Wenn ich es mir recht überlege, sind mir mehr unfreundliche Katzendamen als Kater begegnet, und es ist gut möglich, daß viele von ihnen, genau wie meine Tante Lolla, danach strebten, Griesgrame zu werden. Ob es ihnen gelungen ist, bleibe dahingestellt. Tatsache ist, daß es viel saure Arbeit kostet, ein waschechter Griesgram zu werden. Obwohl Eisbär den Bogen im Nu heraus hatte, bezweifle ich, daß eine weibliche Katze die Kunst der Griesgrämigkeit so locker meistern würde wie er.
    Da ich in der Woche immer stark eingespannt bin mit meiner Arbeit für den Tierschutz-Fonds, tue ich am Wochenende aus Prinzip nur das, was mir Spaß macht: Ich spiele Schach. Von meiner Wohnung bis zum sogenannten »Schachhaus« im Central Park ist es nicht weit. Das Haus steht auf einem kleinen Hügel, leider in der Nähe des alten Karussells, das immer die gleichen drei schrecklichen Musikstücke herunterleiert, ist aber ansonsten ein sehr angenehmer Ort. Es gibt eine ganze Anzahl Steintische mit Schachbrettplatten, die im Freien stehen, und dort treffen wir alten Schachfans uns zum Spiel. Die Figuren bringt jeder selbst mit. Es gibt auch ein Haus, in das wir uns bei sehr unfreundlichem Wetter zurückziehen, aber das kommt selten vor. Ich habe oft im strömenden Regen draußen gespielt. Wenn man im Vorteil ist, merkt man ihn vor lauter Begeisterung gar nicht. Der Gegner, der auf der Verliererstraße ist, bemerkt den Regen natürlich sehr wohl und möchte dann immer abbrechen. Aber man muß ihn einfach ignorieren und den nächsten Zug machen.
    Kurz und gut, eines Samstags machte ich mich wieder einmal für den Park fertig und war nach der Lektüre all der Briefe von Leuten, die ihre Katzen gelehrt hatten, an der Leine zu gehen, fest entschlossen, Eisbär mitzunehmen.
    Kaum sah er mich nach dem Geschirr greifen, verschwand er unter dem Bett. Als ich ihn unter Ächzen und Stöhnen hervorgezogen hatte, mimte er den Kranken, röchelte und hustete, als hätte er die galoppierende Schwindsucht. Aber das kenne ich schon. Ohne viel Federlesens steckte ich ihn in sein Geschirr; dann nahm ich ihn in den einen Arm, den Beutel mit meinen Schachfiguren in den anderen und machte mich auf den Weg. Im Park setzte ich Eisbär auf den Boden und vollführte einen kleinen Sprung, um ihm zu zeigen, daß es jetzt Zeit zum Marschieren war. Aber er funkelte mich nur empört an.
    Vergeblich machte ich ihn auf Jogger und Radfahrer und andere sportliche Leute aufmerksam. Wir lebten in einer Welt, erklärte ich ihm streng, in der allen die Bedeutung körperlicher Fitneß von Tag zu Tag bewußter würde – selbst ich ginge samstags und sonntags zu Fuß zum Schachspiel und zurück, ohne Rücksicht auf das Wetter –, und jetzt hocke er hier herum und weigere sich, die Füße zu heben. Gut, sagte ich schließlich, wenn er es nicht anders wolle, könne er ja den ganzen Nachmittag auf meinem Schoß sitzen und mir beim Schachspiel zusehen und dabei von Minute zu Minute dicker und kurzatmiger werden.
    Ich nahm den Widerspenstigen also wieder auf den Arm, ging zum Schachhaus hinauf und sah verwundert, daß kein Mensch draußen bei den Steintischen war. Ich konnte es nicht fassen – an einem Samstagnachmittag! Drinnen konnten die Spieler doch nicht sein, es fiel ja kein Tropfen Regen.
    Da ich wissen wollte, was los war, ging ich bis zur Tür des Schachhauses. Und siehe da, alle waren sie drinnen, obwohl es schönstes Wetter war, und eine Frau von der Parkverwaltung war auch da. Sie klärte mich auf: Die Spieler hatten sich drinnen versammelt, weil ein besonderes Ereignis bevorstand – ein ungarischer Großmeister wurde erwartet, der sich bereit erklärt hatte, gegen uns alle in einer Simultanpartie anzutreten. Als sie mich fragte, ob ich auch teilnehmen wolle, fiel mir ihr merkwürdiges Lächeln auf.
    Natürlich würde ich teilnehmen, sagte ich in bestimmtem Ton, der keinen Zweifel daran ließ, daß ihr ihr komisches Lächeln bald vergehen würde. Ich würde diesem ungarischen Großmeister eine Partie liefern, die er so bald nicht vergessen würde. Ich müsse allerdings, sagte ich, vorher noch meine Assistentin anrufen, da Eisbär keine Lust habe, den ganzen

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