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Die Katze riecht Lunte

Die Katze riecht Lunte

Titel: Die Katze riecht Lunte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Mae Brown
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hätte zum Begräbnis kommen sollen. Sie erbt weiß Gott sein ganzes Geld.«
    »Miranda, wenn sich die Menschen nicht mehr kleiden, wie es sich gehört, so ist das ein äußeres Zeichen dafür, dass ihnen jedes Gefühl für Anstand abhandengekommen ist. Kleidung ist nichts Oberflächliches.«
    »Ganz meine Meinung.«
    »Sogar Harry, die durchaus Manieren hat, versagt in puncto Kleidung.«
    »Die Ärmste. Man muss sie strampelnd und schreiend in einen Laden schleppen. Susan und ich überlegen, ob wir ihr für unseren bevorstehenden Großeinkauf nicht den Mund zukleben sollen.«
    »Meine liebe Frau war da ganz anders. Ihr Motto lautete: Kaufen bis zum Umfallen.« Herb Jones kicherte.
    Sie setzten sich auf eine schmiedeeiserne Bank, zwei alte Freunde in trauter Zweisamkeit. »Was ist aus der Welt geworden, Herbert?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht stellen alle alten Menschen diese Frage. Aber diese Welt ist barbarischer und vulgärer als die, die ich als Junge kannte. Und gewalttätiger.«
    »Wir hatten gedacht, die Gewalt hätte mit dem Zweiten Weltkrieg ein Ende gefunden.«
    »Jetzt wenden wir sie gegen uns selbst.« Er freute sich an dem erfrischenden Anblick vor ihm. »Die Gärten jedenfalls gedeihen.« Er tätschelte Mirandas behandschuhte Hand. »Ihre Tulpen hätten dieses Jahr landesweit Preise einheimsen können.«
    »Meinen Sie wirklich?«
    »Sie haben sich selbst übertroffen.«
    Eine scharfe Stimme unterbrach ihre vergnügliche Unterhaltung. »Na, ist das ein Stelldichein?«
    »Das Wort habe ich seit der Grundschule nicht mehr gehört.« Herb brach in Lachen aus.
    Tally Urquhart, die sich nur langsam fortbewegte, trat zu ihnen. »Was tun Sie hier, so ganz allein? Sie scheinen mir nicht zu trauern.«
    »Sie etwa?« Miranda, gewöhnlich ganz und gar nicht keck, war durch Herbs Lob kühn geworden.
    »Nein. Ich habe in meinem Leben genug getrauert. Irgendwann lernt man, Lebewohl zu sagen, und damit fertig. Wenn die Zeit um ist, ist sie um. Ich hätte schon vor Jahren tot sein sollen, aber ich bin immer noch da.«
    »Sie werden uns alle überleben.« Herb stand auf und bot ihr seinen Platz an.
    Auf ihren Stock mit dem silbernen Hundekopf gestützt, ließ Tally sich neben Miranda nieder. »Der Sheriff nimmt Tommys und Blairs Auto auseinander.«
    »Ja, das haben wir auch gehört.« Miranda setzte sich so hin, dass sie der spitzzüngigen Dame ins Gesicht sehen konnte.
    »Wird nichts nützen.«
    »Wieso?«, fragte Herb mit sanfter Stimme.
    »Wissenschaft, Maschinen, Fingerabdrücke, oh, alles sehr beeindruckend. Das Wie füllt ganze Bücher. Aber auf das Warum kommt es an.«
    »Ach ja«, seufzte Mrs Hogendobber, während sie zwei Kinder beobachtete, die am anderen Ende des Sees in einem kleinen grünen Kanu herumpaddelten.
    »Wie zum Beispiel: Warum macht Blair Bainbridge Marilyn keinen Antrag? Er scheint in keine andere verliebt zu sein. Sie ist auf alle Fälle die begehrenswerteste junge Dame im ganzen Bezirk.«
    »Ich finde, Harry ist die begehrenswerteste junge Dame.« Miranda war selbst überrascht, dass sie Tally widersprochen hatte.
    »Sie besitzt keinen Penny«, murrte Tally, dann deutete sie ein Lächeln an. »Aber sie ist sehr viel interessanter als meine Großnichte. Erzählen Sie das bloß nicht Mimsy.« Sie lachte herzhaft.
    »Wir sollten Harry aus dem Postamt herausholen. Sie ist zu intelligent für diese Arbeit.«
    »Danke, Herbert«, sagte Mrs Hogendobber mit ungewohntem Sarkasmus.
    »Miranda, Ihr Mann war der Postamtsvorsteher. Das ist etwas ganz anderes.«
    »So?«
    »Sie hat am Smith College ihr Examen in Kunstgeschichte gemacht.« Herb hoffte, dies würde seinen Standpunkt erklären, ohne das Andenken von Mirandas Ehemann noch weiter herabzusetzen.
    »Ich habe am Mary Baldwin College Examen gemacht«, sagte Tally, »und ich habe nicht einen Tag in meinem Leben gearbeitet. Natürlich wurde das damals auch nicht von uns erwartet.«
    »Sie haben gearbeitet«, sagte Miranda.
    »Sicher habe ich gearbeitet. Ich habe geschuftet wie ein Sklave, aber Sie wissen, was ich meine. Für Geld. Das ist heute besser, finde ich.«
    »Wirklich?«, fragte Herb.
    »Ja. Die Menschen sollten die Möglichkeit haben, ihre Begabungen zu nutzen.«
    »Das meine ich ja.« Herb strahlte. »Harry nutzt ihre Begabungen nicht.«
    »Vielleicht doch«, sagte Tally. »Sie genießt das Leben. Sie weiß die Wolken und die Pfingstrosen und uns zu würdigen. Täglich wird ihr im Postamt die unvergleichliche Bandbreite der menschlichen

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