Die Katzen von Ulthar
fremdartige, schmackhafte Speisen auf. In den folgenden Tagen fragte Carter in allen Tavernen und auf den öffentlichen Plätzen, wo sich die Lavasammler und Steinbildner treffen, nach Gerüchten und Legenden über den Ngranek, aber es gelang ihm nicht, jemanden zu finden, der auf den höhergelegenen Hängen gewesen war oder das herausgemeißelte Gesicht gesehen hatte. Der Ngranek sei ein schwieriger Berg, hinter dem nur ein verfluchtes Tal liege, und außerdem könne man sich nie mit Gewißheit darauf verlassen, daß die Dunkel−Dürren ausschließlich in der Fabel existierten.
Als der Kapitän nach Dylath−Leen zurücksegelte, quartierte sich Carter in einem alten Wirtshof ein, der auf ein Treppengäßchen in der Altstadt hinausführte, die aus Ziegeln gebaut ist und den Ruinen am entfernten Ufer des Yath−Sees ähnelt. Hier schmiedete er Pläne für die Besteigung des Ngranek und trug alles zusammen, was er von den Lavasammlern über den Weg dorthin erfahren hatte. Der Besitzer der Taverne war ein sehr alter Mann und hatte so viele Legenden gehört, daß er eine große Hilfe bedeutete. Er führte Carter sogar in einen Raum im Obergeschoß des alten Hauses und zeigte ihm ein krudes Bild, das ein Reisender in jenen verflossenen Tagen in die Lehmwand geritzt hatte, als sich die Menschen noch kühner und weniger abgeneigt zeigten, die 30
hochgelegenen Ranken des Ngranek aufzusuchen. Der Urgroßvater des alten Tavernenbesitzers hatte von seinem Urgroßvater erzählt bekommen, daß der Reisende, der besagtes Bild einritzte, den Ngranek bestiegen, das gemeißelte Gesicht gesehen und es anschließend hier aufgezeichnet hatte, damit andere es betrachten konnten; doch daran hegte Carter starke Zweifel, denn die großen, rohen Züge auf der Wand waren hastig und sorglos hingeworfen und zudem völlig mit einer Unmenge kleiner, äußerst geschmackloser Begleitfigürchen mit Hörnern, Flügeln, Klauen und Ringelschwänzchen bedeckt.
Nachdem er zuletzt alle Informationen eingesammelt hatte, die es in den Tavernen und auf den öffentlichen Plätzen von Bahama einzusammeln gab, mietete Carter ein Zebra und brach eines Morgens entlang der Straße am Ufer des Yath−Sees zu jenem Gebiet des Landesinnern auf, in dem sich der steinige Ngranek türmt. Zu seiner Rechten wellten sich Hügel, gefällige Obstgärten und blitzblanke, kleine Steinfarmhäuser, und dieser Anblick erinnerte ihn eindringlich an die fruchtbaren Felder, die den Skai flankieren. Gegen Abend befand er sich nahe der namenlosen, antiken Ruinen am jenseitigen Ufer des Yath−Sees, und obwohl ihn erfahrene Lavasammler davor gewarnt hatten, hier nachts zu kampieren, band er sein Zebra an einer merkwürdigen Säule vor einer zerbröckelnden Mauer an und breitete seine Decke in einem geschützten Winkel unter irgendwelchen Steingravuren aus, deren Bedeutung niemand entziffern konnte. Er wickelte sich in eine zweite Decke, denn die Nächte Oriabs sind kalt; und als er beim Aufwachen einmal glaubte, die Flügel eines Insektes zu spüren, das sein Gesicht streifte, zog er den Kopf ganz unter die Decke und schlief friedlich weiter, bis ihn die Magahvögel in den fernen Harzwäldchen weckten.
Die Sonne war eben erst über dem großen Abhang aufgegangen, von dem sich meilenweit uralte Ziegelfundamente, abgetragene Mauern und dazwischen geborstene Säulen und Piedestale desolat bis ans Ufer des Yath−Sees zogen, und Carter blickte sich nach seinem Zebra um. Groß war seine Bestürzung, als er das zahme Tier neben der merkwürdigen Säule, an der er es angeleint hatte, niedergestreckt fand, und seine Verwirrung wuchs noch, als er feststellte, daß das Reittier tot und bis auf den letzten Blutstropfen ausgesaugt war, und zwar durch eine einzige Wunde am Hals. Sein Gepäck hatte man durchwühlt und einigen glitzernden Schnickschnack mitgenommen, und ringsum auf der staubigen Erde entdeckte er die großen Abdrücke von Schwimmfüßen, für die er sich keine Erklärung wußte. Die Legenden und Warnungen der Lavasammler fielen ihm ein, und er dachte an das, was nachts sein Gesicht gestreift hatte.
Dann schulterte er sein Gepäck und marschierte dem Ngranek zu, doch nicht ohne leises Schaudern, als dicht an der durch die Ruinen verlaufenden Straße tief in der Mauer eines alten Tempels ein Gewölbe gähnte, dessen Stufen weiter in die Dunkelheit hinabführten, als er spähen konnte.
Sein Weg stieg jetzt bergan durch eine wildere und teilweise waldige Landschaft, und er traf
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