Die Katzen von Ulthar
mehrere kunstlose Altäre, die sie entweder zur Huldigung der Großen errichtet hatten, oder um das abzuwehren, was sie in den Hochpässen und Labyrinthhöhlen des Ngranek vermuteten.
Abends erreichte Carter die vorgeschobenste Feuerstelle; hier schlug er sein Camp für die Nacht auf, band sein Zebra an einen jungen Baum und wickelte sich vor dem Einschlafen fest in seine Decken. Die ganze Nacht hindurch heulte ein ferner Voonith am Ufer eines versteckten Teichs, aber Carter fürchtete diesen amphibischen Schrecken nicht, denn man hatte ihm mit Bestimmtheit versichert, daß es kein Voonith wagen würde, sich den Hängen des Ngranek auch nur zu nahem. Im klaren Sonnenlicht des Morgens begann Carter den langen Aufstieg; er führte sein Zebra so weit mit, wie das nützliche Tier gehen konnte, doch als der Boden des lichten Waldes zu steil wurde, leinte er es an einer verkrüppelten Esche fest. Danach kletterte er allein weiter; zuerst durch den Wald mit seinen Ruinen antiker Dörfer auf zugewucherten Lichtungen, und dann über das feste Gras, wo ab und zu anämische Büsche wuchsen. Er bedauerte es, den Wald verlassen zu müssen, denn die Berglehne stieg ziemlich jäh an, und das Ganze wirkte einigermaßen schwindelerregend.
Nach und nach begann er immer mehr Einzelheiten der unter ihm ausgebreiteten Landschaft zu erkennen, wenn er sich einmal umdrehte; die verlassenen Hütten der Steinbildner, die Haine mit den Harzbäumen und die Lagerstätten derer, die darin sammelten, die Wälder wo die prismatischen Magahs nisten und singen, und ganz weit entfernt sogar eine Andeutung der Ufer des Yath−Sees und jener abstoßenden, uralten Ruinen, deren Name vergessen ist. Er erachtete es für ratsamer, sich nicht umzuschauen und kletterte solange weiter, bis die Büsche nur noch sehr vereinzelt gediehen und oft bloß das feste Gras Halt gewährte.
Dann wurde die Humusschicht kärglich, und große Flächen schieren Felsgesteins brachen durch, hier und da klebte in einer Spalte der Horst eines Kondors. Zuletzt gab es nur noch den blanken Fels, und wäre er nicht so rissig und verwittert gewesen, hätte Carter kaum höher klimmen können. Buckel, Simse und Vorsprünge halfen ihm indes weiter; und es war ermutigend für ihn, hin und wieder das Zeichen eines Lavasammlers unbeholfen in den bröckeligen Stein eingekratzt zu finden und zu wissen, daß gesunde, menschliche Wesen vor ihm hier gewesen waren. Ab einer gewissen Höhe zeugten nach Bedarf eingeschlagene Hand− und Fußlöcher ebenso von menschlicher Gegenwart wie kleinere Steinbrüche und Ausgrabungen dort, wo man auf eine reiche Lavaader oder gar einen Strom gestoßen war. An einer Stelle hatte man kunstvoll einen schmalen Sims ausgehauen, über den man zu einem besonders reichen Vorkommen rechts der Hauptaufstiegsroute gelangte. Ein− oder zweimal wagte es Carter, sich umzuschauen und wurde fast von der ausgebreiteten Landschaft überwältigt. Der gesamte Inselstreifen zwischen ihm und der Küste lag offen vor seinem Blick, mit Bahamas Steinterrassen und dem Rauch seiner Schornsteine mystisch im Hintergrund. Und jenseits davon das grenzenlose Süd−Meer mit all seinen wunderlichen Geheimnissen.
33
Bis jetzt hatte sich der Weg dicht am Berg entlanggewunden, sodaß die abgelegene und behauene Flanke noch immer verborgen blieb. Carter entdeckte nun einen nach links aufsteigenden Sims, der in die gewünschte Richtung zu führen schien, und diesen Pfad schlug er in der Hoffnung ein, daß er sich als kontinuierlich erwies. Nach zehn Minuten erkannte er, daß er wirklich keine Sackgasse gewählt hatte, sondern daß der Weg in einem steilen Bogen weiterlief und ihn − endete er nicht unvermittelt oder wechselte seinen bisherigen Verlauf − nach einer Stunde Kletterei zu jenem unbekannten Südhang bringen mußte, der nur die desolaten Klippen und das verfluchte Lavatal überschaute. Als unter ihm neues Land auftauchte, sah er, daß es kahler und wilder war, als die seewärts liegenden Landstriche, die er durchquert hatte.
Auch die Berghalde bot ein etwas anderes Bild; sie war hier von merkwürdigen Höhlen und Spalten durchsetzt, die auf dem direkten Weg, den er verlassen hatte, fehlten. Einige lagen über und einige unter ihm, alle öffneten sich auf schiere, lotrechte Kliffe und waren für Menschen unerreichbar. Die eiskalte Luft störte Carter nicht, denn das Klettern strengte sehr an. Nur daß sie immer dünner wurde, bereitete ihm Sorge, und er überlegte, ob hierin
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