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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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stellen schien, woran sie glaubte und was ihr Leben bestimmte.
    »Das könnte durchaus sein«, hatte die unbestimmte Antwort des Mönchs gelautet. »Und jeder von uns sollte darauf gefasst sein, solchen Kräften zu begegnen. Manche von ihnen mögen nur ein paar Haare bewegen. Andere sind wie ein mächtiger Sturm, gegen den sich zu stellen sinnlos wäre.«
    Alles das fiel Johanna in diesem Moment wieder ein. Und sie fragte sich, ob ihre Leidenschaft für Frederik vielleicht auch eine dieser Kräfte gewesen war, von denen Emmerhart gesprochen hatte.
    Die Stimme des Hausdieners riss sie aus ihren Gedanken. »Ich kann Herrn Moritz bis jetzt nicht finden«, sagte Jeremias an Wolfgang Prebendonk gerichtet. »Ihr müsst Euch noch einen Augenblick gedulden.«
    »Dann such ihn, Jeremias«, gab Wolfgang zurück. Er schien in Eile zu sein.
    »Ihr wisst ja so gut wie ich, wie weitläufig dieses Haus ist. Wartet hier auf mich, ich werde tun, was ich kann.«
    Jeremias verschwand wieder durch eine der Türen, die in die Eingangshalle führten.
    Johanna hatte innegehalten und beobachtet, was geschah. Jetzt kam sie die Treppe herunter. »Wolfgang! So früh seid Ihr schon auf den Beinen?«
    »Ja«, sagte der Schreiber kurz angebunden.
    »Ihr seht aus, als wolltet Ihr eine Reise machen! Wohin schickt Euch denn mein Vater?«
    Wolfgang druckste herum. Sein Gesicht wurde von einer dunklen Röte überzogen. Die Situation war ihm offensichtlich peinlich, denn er wich Johannas Blick aus; allein das war höchst eigenartig.
    »Es ist nicht Euer Vater, der mich auf eine Reise schickt«, erklärte er dann.
    »Nicht?«, wunderte sich Johanna. »Wohin geht es denn?«
    »Nach Stralsund.«
    Johanna hob die Augenbrauen. Ein Augenblick verging, ohne dass eines von ihnen beiden gesprochen hätte. Und dann fiel es Johanna wie Schuppen von den Augen, was hier vor sich ging. »Ihr habt das Angebot von Berthold Metzger angenommen?«
    Wolfgang nickte und vermied noch immer einen direkten Blickkontakt zu Johanna. »Ja, so ist es. Es ist mir unangenehm, nach allem, was Euer Vater für mich getan hat. Und mir ist sehr wohl bewusst, was ich ihm verdanke. Ohne ihn hätte ich es nie so weit gebracht. Aber andererseits muss ich auch an mein persönliches Fortkommen denken.«
    Johanna musste unwillkürlich schlucken. Wolfgang Prebendonk war in den letzten Jahren eine sehr wichtige Stütze des Handelshauses von Dören gewesen. Sein Weggang war ein herber Schlag für das ganze Haus und nicht so einfach zu verkraften.
    »Darf ich fragen, was Euch letztlich doch bewogen hat, das Angebot aus Stralsund anzunehmen?«, fragte Johanna nach einem Moment des verlegenen Schweigens. »Denn schließlich hattet Ihr zunächst eine andere Entscheidung gefällt.«
    Nun endlich hob Wolfgang Prebendonk den Kopf und sah Johanna offen an. »Während Eurer Abwesenheit war ein Bote von Berthold Metzger in Lübeck. Er hat das erste Angebot noch einmal deutlich verbessert. Die Bedingungen sind einfach zu günstig. Ich bin gewissermaßen gezwungen, die Möglichkeit zu ergreifen. Dort werde ich Teilhaber sein können. Man hat große Pläne mit mir – und offenbar auch viel Vertrauen in meine Fähigkeiten, was ich hier in Lübeck schon manchmal ein wenig verloren glaubte.«
    Da steckt noch etwas anderes dahinter, glaubte Johanna zu erkennen. Natürlich konnte sie nicht beurteilen, was hier in Lübeck während jener Zeit geschehen war, die sie zusammen mit ihrem Vater, ihrer Schwester und Bruder Emmerhart auf dem Hansetag zu Köln verbracht hatte.
    »Hättet Ihr nicht meinem Vater die Gelegenheit geben sollen, Euch ebenfalls ein Angebot zu machen?«, fragte sie dann. »Oder gibt es irgendetwas, worüber Ihr Euch hier im Haus von Dören zu beklagen hättet?«
    Wolfgang schüttelte den Kopf. »Es gibt nichts, worüber ich mich beklagen müsste – allerdings ebenfalls nichts, was mich derzeit hier in Lübeck halten könnte.«
    »Darf ich fragen, woher Euer unbedingter Drang nach Stralsund kommt?«
    »Wie gesagt: Die Zukunftsaussichten erscheinen mir dort besser, und es war …«
    »… ein gutes Angebot, das sagtet Ihr bereits. Aber könnte es sein, dass es auch noch andere Gründe gibt?«
    Wolfgang wollte zunächst etwas sagen, ein Zucken seiner Lippen verriet es. Aber dann schüttelte er erneut den Kopf. »Ich habe Euch alles dazu gesagt, was es zu sagen gibt, Johanna. Ich muss so schnell wie möglich nach Stralsund kommen, und ich habe nur den Tag abgewartet, da Euer Vater vom Hansetag

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