Die Kaufmannstochter von Lübeck
verzögern. Und der war schon nicht begeistert, dass ich von ihm verlangt habe, erst die Rückkehr Eures Vaters abzuwarten.«
»Ich weiß.«
Wolfgang lächelte. »Auch die Großherzigkeit eines Pharaos sollte man nicht überstrapazieren, denke ich! Mag er mir auch noch so gewogen sein.«
»Wolfgang, niemandem in unserem Haus ist entgangen, dass Ihr meiner Schwester zugetan seid und Euch vielleicht auch Hoffnungen gemacht habt, die zwischenzeitlich nicht erfüllbar schienen.«
»Das ist Vergangenheit«, behauptete Wolfgang. »Und ich werde jetzt in die Zukunft sehen, werte Johanna.«
»Vielleicht solltet Ihr das Grete selbst sagen, denn ich hatte immer den Eindruck, dass sie Euch mochte.«
Wolfgang beugte sich aus dem Sattel herab und sagte in gedämpftem Tonfall: »Wenn Eure Schwester mich hätte erhören wollen, wären dazu Jahre Zeit gewesen. Sie hat es nicht getan. Und leider bin ich auch kein großer Handelsherr wie Pieter van Brugsma oder der, mit dessen Silberschatz sie sich in Zukunft trösten wird.«
»Aber …«
»Es ehrt mich, dass Ihr mich zu halten versucht, aber um Eure Schwester braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Da wird sich schon eine standesgemäße Verbindung finden lassen. Als alte Jungfer wird sie sicherlich nicht ins Grab gehen. Und nun muss ich wirklich los.«
Wolfgang Prebendonk ließ sein Pferd voranpreschen. Der Hufschlag auf dem harten Pflaster klang schroff und durchdringend. Schon bald war der Reiter hinter der nächsten Straßenecke verschwunden.
Als Johanna sich schließlich umdrehte und zurück zum Hauseingang ging, kam ihr Grete entgegen.
»Was ist denn so Eiliges?«
»Wolfgang hat uns gerade verlassen – und vielleicht wäre er geblieben, wenn du ihn zurückgehalten hättest.«
Grete schaute etwas ungläubig drein. »Du meinst, er kehrt nicht zurück?«, fragte sie.
F ünfundzwanzigstes K apitel
Schwarzer Tod und dunkle Tage
An einem der nächsten Tage fand sich der Rat der Stadt Lübeck zusammen, und Bürgermeister Brun Warendorp erstattete ausführlich darüber Bericht, was auf dem Hansetag zu Köln beschlossen worden war. Er las im Einzelnen vor, welche Städte sich mit Geld oder Truppen oder beidem an einem Kriegszug gegen Waldemar zu beteiligen dachten und dass man auch mit der nahezu uneingeschränkten Unterstützung des Schwedenkönigs Albrecht rechnen könne.
Ab und zu unterbrachen lautstarke Zustimmungsbekundungen den Vortrag, aber es gab auch andere Stimmen. Es war schnell klar, dass das Echo auf die Gründung der Konföderation keineswegs ausschließlich positiv war. Und das, obwohl ein sehr eindeutig gefasster Beschluss des Rates dazu vorlag, mit dem Brun Warendorp und Moritz von Dören nach Köln gesandt worden waren.
Vielleicht hat manch einer seine Opposition bisher nicht offen zu äußern gewagt, ging es Moritz von Dören, der selbstverständlich der Ratsversammlung beiwohnte, durch den Kopf. Oder es sind während unserer Abwesenheit Dinge geschehen, von denen wir bisher noch nichts ahnen.
Moritz fühlte sich schwach und müde; er schob das auf die Anstrengungen der Reise. Immerhin war der schreckliche Schmerz, der bei seiner Rückkehr in seine Brust geschossen war, nicht zurückgekehrt. Das hielt er für ein gutes Zeichen. Von Bruder Emmerhart hatte er sich inzwischen ein übelriechendes Kräftigungsmittel mischen lassen. Allerdings schmeckte es selbst in süßem Beerensaft aufgelöst so ekelhaft, dass Moritz sich nicht vorstellen konnte, wie etwas so Abstoßendes eine heilende Wirkung haben sollte. Und tatsächlich war die einzige feststellbare Wirkung gewesen, dass er einige Zeit unter Brechreiz litt, nachdem er sich die Medizin verabreicht und nur mit größter Mühe hinuntergewürgt hatte.
Eigentlich hatte Moritz von Dören geglaubt, dass nach der Rückkehr vom Hansetag die größten Anstrengungen fürs Erste hinter ihm lagen. Aber das schien nicht der Fall zu ein. Ganz so glatt, wie er und Brun Warendorp es sich vorgestellt hatten, würden die jetzt notwendigen Beschlüsse wohl nicht durch den Rat gehen.
»Söldner anwerben, die Flotte unter großem Zeitdruck ausbauen und Waldemar zur Freigabe des Öresunds zwingen – das wird uns alle viel Silber kosten«, meldete sich Meinert Grootdorp zu Wort, ein gut betuchter Pelzhändler und Rigafahrer. Da sie von Waldemars Eroberungsdrang weitaus weniger betroffen waren als zum Beispiel die Schonen- oder Bergenfahrer, war ihre Neigung, Geld in die Aufrüstung zu investieren, auch deutlich
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