Die Kaufmannstochter von Lübeck
weniger ausgeprägt. Vornehmlich aus ihren Reihen hatte es von Anfang an kritische Stimmen zu den Plänen von Bürgermeister Warendorp gegeben.
»Ich gehe jede Wette ein, dass die Hälfte unserer Bundesgenossen unseren Hansehaufen im Stich lassen wird, wenn es ernst wird und sich vielleicht auch noch der eine oder andere mächtige Fürst auf die Seite Waldemars stellt«, betonte Meinert Grootdorp – und Moritz musste ihm in diesem Punkt insgeheim sogar recht geben. Genau das würde eintreten, zumindest wenn die Dinge ungünstig für die Hanse und ihre lübische Vormacht verliefen. Darum ist es ja so wichtig, dass die Erfolge möglichst schnell erzielt werden, dachte er und hätte das am liebsten Meinert Grootdorp laut entgegengerufen, aber das tat er nicht. Dieses lähmende Gefühl der Schwäche hatte ihn doch wohl mehr im Griff, als er sich selbst eingestehen wollte. Und so blieben seine Lippen geschlossen.
Bürgermeister Brun Warendorp wehrte sich gegen die Einwürfe der Kritiker, so gut und wortmächtig er konnte. Und wie überzeugend er dabei sein konnte, hatte er ja erst vor kurzem auf dem Hansetag bewiesen, als er es geschafft hatte, die Stimmung nahezu im Alleingang vollkommen umzudrehen. »Wenn wir zögern, dann ist das Ende der lübischen Vormacht und wahrscheinlich auch der Hanse nahe. Aber das wollen manche unter uns nicht hören.«
»Ihr selbst habt doch vorgetragen, mit welchen Hilfen wir von den anderen Städten rechnen können«, mischte sich nun erneut Meinert Grootdorp ein. »Lächerlich ist das, und jeder hier, der auch nur so gut rechnen kann wie irgendein Krämer auf unserem Stadtmarkt, wird gleich erkennen, an wem der größte Teil der Last hängen bleiben wird! An uns nämlich – denn von den armen Tagelöhnern werdet Ihr wohl kaum genug Steuern eintreiben können, um all das zu bezahlen, was bezahlt werden muss.«
Ein zustimmendes Gemurmel entstand. Moritz bemerkte, dass auch Magnus Bredels lauthals Beifall äußerte. Ein Schonenfahrer unter denen, die sich Waldemar unterwerfen wollen , ging es Moritz durch den Kopf. Er lächelte zufrieden. Jedenfalls bedeutet das wohl, dass du auf absehbare Zeit keine Mehrheit zusammenbringen wirst, um mich als Ältermann unserer Bruderschaft abzulösen, so wie du es schon zweimal versuchst hast!
Bredels’ Blick traf sich jetzt mit dem von Moritz, und Moritz gab sich alle Mühe, trotz seiner momentanen Schwäche den Eindruck von Stärke und Entschlossenheit zu vermitteln. Ihm war klar geworden, dass es selbst in der eigenen Bruderschaft Feinde gab. Und es sah nicht so aus, als hätten sie bereits ihre Bestrebungen aufgegeben.
Nach einer turbulenten Debatte wurde schließlich abgestimmt. Eine große Mehrheit stimmte für die Vorschläge von Bürgermeister Warendorp, der eine ganze Liste von Sofortmaßnahmen aufgestellt hatte. Der Winter musste genutzt werden, so lautete sein Credo. Denn wenn der Frühling kam, dann musste man bereit sein, gegen Waldemar zu kämpfen.
»Wir können nur hoffen, dass unsere Werber erfolgreich sind und schnell gute Leute nach Lübeck locken können«, sagte Warendorp an Moritz gewandt, nachdem die Sitzung des Rates geschlossen war und der Bürgermeister ermattet auf seinen Stuhl gesunken war.
»Vor allem brauchen wir einen guten Anführer«, ergänzte Moritz. »Jemand, der eine Streitmacht zu führen versteht. Denn die besten Söldner und Waffenknechte sind nichts wert, wenn ihnen nicht ein kluger Kopf vorangeht und sie lenkt!«
»Natürlich«, nickte Warendorp. »In diesem Punkt sind wir uns vollkommen einig.«
»Wen habt Ihr da im Sinn? Man könnte sicher den Hochmeister des Deutschordens dafür gewinnen, uns ein paar gute Männer zur Verfügung zu stellen.«
Brun Warendorp lächelte auf eine Weise, die verriet, dass er sich bereits weitergehende Gedanken gemacht hatte, als er dies nach außen hin erkennen ließ. »So gerne ich gepanzerte Ritter auf dem Schlachtfeld zu unserer Unterstützung sehen will und so bereitwillig ich ihnen Schiffe zur Verfügung stellen werde, um sie an jeden Ort an den Küsten der Ostsee zu bringen, um gegen Waldemar zu Felde zu ziehen – so möchte ich trotzdem nicht, dass einer von diesen frommen Schlächtern meine Truppen führt.«
Moritz horchte auf. » Meine Truppen – habt Ihr das gerade wirklich gesagt, oder habe ich mich verhört, werter Brun?«
Warendorp verzog das Gesicht. Er beugte sich näher zu Moritz und sagte sehr leise: »Tut mir einen Gefallen und erzählt es nicht
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