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Die Kaufmannstochter von Lübeck

Die Kaufmannstochter von Lübeck

Titel: Die Kaufmannstochter von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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keine falschen Gerüchte über den Ausgang der Verhandlungen auf dem Hansetag verbreiten.
    »Hoch lebe unser Bürgermeister!«, rief jemand aus der immer dichter werdenden Menge, und einige andere Stimmen fielen in diesen Ruf mit ein.
    Brun Warendorp, matt und müde von der langen Reise, hob die Hand und winkte den Leuten zu. Moritz von Dören war an seiner Seite.
    Johanna ritt neben Bruder Emmerhart und fühlte sich so erschöpft wie schon lange nicht mehr. Das Wetter war schlecht, es hatte in den letzten Nächten gefroren, und auch am Tag war es nicht mehr richtig warm geworden. Johanna fror bis ins Mark. Der eiskalte Wind aus Richtung Norden schien ihre Kleider ungehindert zu durchdringen.
    Während der Reise hatten sie kaum Pausen eingelegt. Von morgens kurz vor Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang waren sie geritten, und nicht immer hatte an passender Stelle ein Gasthaus zur Verfügung gestanden. Manchmal hatten sie auf einsamen Gehöften oder sogar in der Wildnis unter freiem Himmel übernachten müssen.
    Auch die Hinreise nach Köln vor Wochen war anstrengend gewesen, aber damals hatten sie noch milderes Wetter gehabt. Jetzt waren manche Wege und Straßen durch Dauerregen unpassierbar geworden. Johannas Kleider hatten in der ganzen Zeit gar nicht mehr richtig getrocknet, und das, wonach sie sich im Moment am meisten sehnte, war ein wärmendes Feuer im heimischen Patrizierhaus, wo sie sich ausruhen und wieder warm werden konnte.
    Ein mattes Lächeln zeigte sich trotz all der hinter ihr liegenden Strapazen auf ihrem Gesicht. Wir sind zurück, dachte sie erleichtert, und es dauerte eine ganze Weile, bis sie das wirklich begriffen hatte. Der Dom, die Schiffe an der Trave, die Bänke der Geldwechsler … Du bist wirklich zu Hause, versuchte sie sich klarzumachen.
    Meister Andrea hatte die lange Reise noch mehr zugesetzt als allen anderen, was wohl damit zusammenhing, dass er das Reiten nicht gewohnt war. Er hing mehr im Sattel, als dass man es noch als sitzen hätte bezeichnen können. Doch jetzt weckte ihn das Geschrei der Leute aus seinem Dämmerzustand.
    Grete hielt sich weit hinten in dem Zug der Reiter. Sie war schon seit Tagen sehr einsilbig, und Johanna hatte manchmal den Eindruck gehabt, dass sie ihr aus dem Weg ging, soweit das während der Reise überhaupt möglich gewesen war. Aber selbst am Abend in der Herberge oder am Lagerfeuer oder im Stall eines westfälischen Gehöfts, in dem sie übernachtet hatten, hatte Grete nur das Nötigste zu ihrer Schwester gesprochen.
    Vielleicht, dachte Johanna, wird ihr nun bei der Rückkehr noch stärker bewusst, dass ihr Leben ganz anders verlaufen wird, als sie es sich bei ihrem Aufbruch aus Lübeck erträumt hatte. Jedenfalls machte sie ein sehr trauriges, niedergeschlagenes Gesicht.
    Und du selbst?, fragte Johanna sich. Was wird jetzt aus deinem Leben?
    Sie schob diese unterschwellig in ihr rumorende Frage erst einmal beiseite. Zu müde war sie jetzt, zu erschöpft von den Anstrengungen, die hinter ihr lagen.
    Bürgermeister Brun Warendorp zügelte jetzt sein Pferd. Es hatten sich inzwischen so viele Menschen um die Reitergruppe versammelt, dass ihm auch kaum eine andere Wahl blieb. Er rückte seine tellerförmige Lederkappe zurecht, die er bis dahin wegen des scharfen Nordwindes ziemlich tief ins Gesicht gezogen hatte, und hob eine Hand, woraufhin es etwas ruhiger wurde. Mit heiserer Stimme sprach er dann zu denen, die sich zusammengefunden hatten. »Der Haufen der Hansestädte hält zusammen! Und mag Waldemar auch ganz Baiern, Kärnten und Italien nach Verbündeten durchforsten und so viele Narren finden, die ihm bereitwillig folgen, wie er will! Gegen die Konföderation, die zu Köln beschlossen wurde, wird er nicht ankommen! Wir werden es ihm nicht gestatten, uns länger zu erpressen und sich nach und nach alles zu nehmen, was ihm beliebt! So wahr ich hier stehe, damit wird schon in Kürze Schluss sein!«
    Der Rest seiner Worte ging in Jubelrufen unter. Offenbar hatte der Bürgermeister genau die Worte gefunden, die man hatte hören wollen. Worte des Mutes und der Zuversicht, obwohl in Wahrheit noch gar nicht feststand, wie die nächsten Schritte aussehen würden. Schließlich war man noch weit davon entfernt, für einen Kampf gegen Waldemar gewappnet zu sein. Und ob das Bündnis der Hansestädte über die feierliche Deklaration auf dem Hansetag hinaus überhaupt Bestand haben würde, stand noch in den Sternen.
    Er nimmt den Mund ziemlich voll, dachte

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