Die Kaufmannstochter von Lübeck
zurückkehrte, um aufbrechen zu können.« Ein verhaltenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Euer Vater kann sich also glücklich schätzen, dass ich die Geschäfte hier in Lübeck bis gestern in seinem Sinn geführt habe. Es wäre nämlich durchaus der Wunsch des Pharaos gewesen, dass ich schon früher aufbreche.«
Johanna hob die Augenbrauen. »Des Pharaos?«, echote sie.
»So nennt man Berthold Metzger bisweilen in Stralsund und Umgebung. Ich habe mit einigen Leuten gesprochen, die von dort kommen und heute ihr Auskommen hier in Lübeck gefunden haben, um zu wissen, worauf ich mich einlasse.«
»So wünsche ich Euch viel Glück bei Eurem neuen Herrn«, sagte Johanna dann nach einer kurzen Pause. »Denn anscheinend kann Euch wirklich nichts und niemand aufhalten.«
»Das seht Ihr richtig.«
»Gestattet mir dennoch eine letzte Frage, Wolfgang.«
»Gerne.«
»Habt Ihr Euch auch schon von meiner Schwester Grete verabschiedet?«
Wolfgang Prebendonk wirkte jetzt sichtlich überrascht. »Ehrlich gesagt hätte ich nicht erwartet, dass sie mit nach Lübeck zurückkehren würde, sondern noch in Köln weilte oder mit ihrem Gatten nach Antwerpen gezogen wäre.«
»Dann hat sich noch nicht bis Lübeck herumgesprochen, dass die Hochzeit zwischen Pieter van Brugsma und meiner Schwester gar nicht stattgefunden hat, weil ihr auserkorener Gemahl zuvor auf diplomatischer Mission einem Mordanschlag zum Opfer gefallen ist?«
Wolfgang starrte Johanna einen Augenblick fassungslos an. »Nein, das habe ich nicht geahnt. Dann ist Grete tatsächlich hier?«
»Ich könnte sie rufen. Vermutlich ist sie noch in ihrem Zimmer.«
Wolfgang hob jedoch abwehrend die Hand. »Nein, lasst nur. Ihr braucht Euch nicht zu bemühen.«
In diesem Augenblick kehrte Jeremias zusammen mit Moritz von Dören zurück. Der Handelsherr wirkte müde und abgeschlagen, sein Gesicht blass. Und nachdem Wolfgang Prebendonk ihm eröffnet hatte, dass er im Begriff war, Lübeck und das Haus von Dören zu verlassen, starrte Moritz seinen Schreiber und Prokuristen zunächst nur ungläubig an. Schon nach wenigen Worten war klar, dass es wohl keine Möglichkeit gab, Wolfgang zu halten.
»Grüßt Berthold Metzger von mir, wenn Ihr in Stralsund ankommt«, sagte Moritz schließlich, wobei nicht zu überhören war, wie niedergeschlagen er war. »Vertrauenswürdigen Ersatz für Euch zu bekommen dürfte alles andere als leicht sein. Aber wer wäre ich, dass ich Eurem Glück irgendwelche Steine in den Weg legen könnte.«
»Ich danke Euch für alles, was Ihr für mich getan habt, Herr«, sagte Wolfgang daraufhin. »Ohne die Möglichkeiten, die ich durch Euch erhielt, wäre mein Leben ein ganz anderes geworden.«
»Ja, das mag wohl sein.«
»Ich werde das nie vergessen.«
»Braucht Ihr ein Pferd oder einen Wagen, Wolfgang?«
Der Angesprochene schüttelte den Kopf. »Ich habe Euch in vielerlei Hinsicht in Anspruch genommen, aber damit soll nun Schluss ein. Für ein Pferd habe ich selbst gesorgt. Solltet Ihr oder irgendein Mitglied Eurer Familie irgendwann nach Stralsund kommen, dann stehe ich zu jeder erdenklichen Hilfe bereit.«
Damit nahm Wolfgang sein Bündel über den Rücken und ging hinaus. Vor dem von Dören’schen Haus wartete bereits sein Pferd.
»Ich sollte ihn festhalten und fesseln«, knurrte Moritz in der Eingangshalle, als Wolfgang ins Freie getreten war.
»Es gibt vielleicht noch eine Möglichkeit, ihn zurückzuhalten«, erwiderte Johanna. »Jeremias! Weckt meine Schwester! Auch wenn sie tief und fest schläft, sie soll notfalls im Nachthemd vor die Tür kommen und sich nicht darum scheren, ob sich irgendjemand darüber später das Maul zerreißt!«
»Aber …«
»Tut, was ich sage, Jeremias!«
Mit diesen Worten eilte Johanna nun ebenfalls ins Freie.
Wolfgang war gerade in den Sattel gestiegen. Durch die vielen Reisen, die er im Auftrag von Moritz von Dören absolviert hatte, war er ein geübter Reiter geworden.
»Wartet, Wolfgang!«, verlangte Johanna. Sie näherte sich ihm, und er zügelte sein Pferd. Das Bündel, das er hinten am Sattel festgeschnallt hatte, verrutschte etwas, weil es nicht fest genug gezurrt worden war. Das bedeutete einen kurzen Aufschub vor dem endgültigen Aufbruch.
»Ich muss los, Johanna! Nach Stralsund werde ich ohnehin einige Tage unterwegs sein, so schnell mein Pferd mich auch trägt. Und wenn ich schon bei der ersten Etappe in Rückstand gerate, wird sich mein Eintreffen bei Berthold Metzger weiter
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