Die Keltennadel
Karte.
53
K urz nach zehn Uhr abends läutete es an Janes Tür, und sie stellte erleichtert fest, dass Dempsey allein davor stand. Er trat ein und setzte sich; die Einladung zu einer Tasse Kaffee lehnte er dankend ab und kam ohne Umschweife zur Sache.
»Wir haben wegen der Italienreise bei Ihrem Arbeitgeber nachgefragt, und das scheint in Ordnung zu sein. Allerdings entscheiden andere Faktoren darüber, ob Sie fliegen können; es wird davon abhängen, was ich heute Abend von Ihnen zu hören bekomme.«
Er zückte einen ausgefransten Reporterblock. »Gehören Sie einer Organisation namens der Zehnte Kreuzzug an?«
»Ganz sicher nicht.«
»Erklären Sie mir, wie Sie in den Besitz dieser Broschüre gelangten.«
Jane zählte die Ereignisse jenes Tages auf, darunter auch, dass sie in der Zeitung von dem Ritualmord in Kilbride gelesen und beschlossen habe, wegen ihrer Schwester Kontakt mit Liam Lavelle aufzunehmen. Sie fügte an, dass es ironischerweise wahrscheinlich Inspector Dempsey selbst gewesen sei, der ihr eine erste Ahnung von der Existenz des Zehnten Kreuzzugs verschaffte.
»Ich muss betonen, wie ernst wir den Fund dieser Broschüre nehmen«, sagte er gewichtig. »Zusammen mit neu aufgetauchten Indizien untermauert es eine Theorie, die einige meiner Kollegen schon früher ins Spiel gebracht haben.«
»Was für eine Theorie ist das?«
»Dass es beim Zehnten Kreuzzug zu Fraktionskämpfen gekommen sei. Angeblich soll es in der Organisation öffentlich bekannte Mitglieder geben und einen geheimen inneren Zirkel, dem möglicherweise Geistliche angehören. James Turner soll dieser Theorie zufolge gewusst haben, wer Sarah getötet hat, er wusste, dass es sich um eine Strategie handelte, um antiislamische Ressentiments zu entfachen, war aber nicht damit einverstanden gewesen. Selbst Bonner soll den Täter gekannt haben, befürchtete aber, man könnte ihn umlegen, wenn er singt. In einem Gespräch, das wir mit ihm führten, schien er Lavelle zu signalisieren, er wüsste etwas. Dann wird Turner umgebracht, und man lässt es so aussehen, als wären es islamische Extremisten gewesen. Liam Lavelle war der einzige Mensch außerhalb der Polizei, der davon Kenntnis hatte, dass Jack und ich nach London fahren und Turner vernehmen wollten. Bonner wusste, Lavelle war in der gegnerischen Fraktion von Turner, brachte ihn auch mit diesem Mord in Verbindung und wollte Rache. Die ganze Zeit spielt Lavelle natürlich die Idee herab, der Zehnte Kreuzzug könnte mit Sarahs Tod zu tun haben. Können Sie mir folgen?«
Jane runzelte skeptisch die Stirn. Sie antwortete nicht.
»Deshalb ist alles, was Lavelle mit dem Kreuzzug in Verbindung bringen könnte, von Bedeutung. Die Annahme ist keinesfalls abwegig, dass er die Broschüre einstecken hatte, als man ihn ins Krankenhaus brachte, und dass er sie Ihnen gab, um sie loszuwerden.«
Das konnte sie nicht durchgehen lassen. »Aber es ist absolut unwahr. Und noch letzte Woche hätten Sie ein ganzes Zimmer voll Broschüren bei ihm finden können, und Sie hätten angenommen, dass er für Sie recherchiert. Warum ist jetzt alles anders?«
»Weil wir ein entscheidendes Beweisstück entdeckt haben. Zu unserem Glück ist es unter einen Teil der Hecke gerollt oder geweht worden, der trotz des vielen Regens trocken blieb.«
»Dieser Wachsdocht, der Ihnen so wichtig ist. Den könnte jemand absichtlich dorthin gelegt haben.«
»Da wäre allerdings der Umstand, dass Lavelle an dem Tag, an dem Sie zur Kirche kamen, unbedingt von mir wissen wollte, warum dieser Docht so wichtig für die Untersuchung ist. Vielleicht hat er ihn auf dem Rückweg zu seinem Haus verloren und ist deshalb in Panik geraten.«
»Aber wenn er ihn benutzt hätte, um mit Sarahs Blut zu schreiben, hätte er selbstverständlich gewusst, wie wichtig das Ding ist. Das hält keiner Prüfung stand.«
»Ich fürchte, da ist noch mehr. Es hat mit einem Zwischenfall in Florida vor ein paar Jahren zu tun.«
»Ja, ich weiß Bescheid.«
Dempsey griff in seine Tasche und holte ein gefaltetes Blatt Papier heraus. Als er es aufklappte, kam ein fotokopierter Zeitungsausschnitt aus dem Miami Herald zum Vorschein. Jane konnte die Schlagzeile lesen:
VERDÄCHTIGER IN RÄTSELHAFTEM TODESFALL WIEDER FREI.
»Wir haben uns mit der Polizei in Miami in Verbindung gesetzt. Sie waren damals nicht glücklich über diesen Fall. Lavelle blieb trotz ihres Misstrauens auf freiem Fuß.«
»Er hat mir die ganze Geschichte erzählt. Es war ein Unfall. Er
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