Die Keltennadel
meiner Sicht haben Sie sich verdächtig benommen, und das Gesetz ermächtigt mich, Sie zu vernehmen. Als Erstes zeigen Sie mir bitte den Inhalt Ihrer Tasche.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich bin hier, weil ich einen kranken Freund besuchen will. Sie wissen genau, dass nicht mehr dahinter ist.«
»Wenn Sie nicht kooperieren, kann ich eine Kollegin kommen lassen, die eine Leibesvisitation bei Ihnen vornimmt. Es wird etwa eine Stunde dauern, bis sie da ist. Wollen Sie warten?«
Jane stellte barsch ihre Tasche auf den Bürotisch und begann den Inhalt auszupacken, zuerst den Discman und die anderen Dinge, die sie für Liam mitgebracht hatte.
»Alles da für ein kleines Picknick im Krankenzimmer, was?«, höhnte er.
Sie achtete nicht auf ihn. Brieftasche, Kreditkarten, Visitenkarten, Handy, Lippenstift, Make-up, Taschentücher, Parfüm, alles kam auf den Tisch. Dann zog sie den Reißverschluss einer Seitentasche auf und entnahm ihr ein Notizbuch, einen Kugelschreiber, einige gefaltete Pressetexte, ihren Pass und Flugtikkets.
»Laufen Sie immer mit Flugtickets und einem Pass in der Tasche herum?«
»Ich reise morgen nach Italien.«
»Nach Italien. Morgen. Wie interessant.« Er setzte sich hinter den Schreibtisch und forderte sie mit einer Geste auf, gegenüber von ihm Platz zu nehmen. »Und warum das?«
»Ich arbeite bei RTE.« Ihr Tonfall war eisig. »Wir machen kommende Woche eine Sendung aus Verona.«
»Das müssen wir überprüfen.«
»Tun Sie das. Verdammt noch mal –«
»Leeren Sie bitte Ihre Tasche zu Ende.«
»Sie ist leer.«
»Darf ich mal sehen?«
»Oh, bedienen Sie sich nur«, sagte sie und schob den schlaffen Behälter über den Tisch.
Er wühlte heftig darin herum. Jane fand seine Miene widerlich. Auf der Rückseite der Tasche war ein Fach mit Klettverschluss, das sie übersehen hatte. Er riss es auf und langte hinein. Dann sah er sie an und zog eine farbige Broschüre heraus, die er langsam entfaltete. Sie steckte dort, seit Jane sie in Temple Bar von der Sängergruppe entgegengenommen hatte. Taaffe prüfte die vierseitige Publikation sorgfältig von vorn bis hinten.
»Nur gut, dass ich mich mit diesem Müll schon auskenne«, sagte er. »Ich weiß verdammt genau, warum Sie es vor mir verstecken wollten.«
»Das ist ein Flugblatt, das man mir auf der Straße in die Hand gedrückt hat. Ich habe es nicht versteckt, ich hatte es komplett vergessen. Würden Sie endlich aufhören, sich wie ein Idiot zu benehmen?«
Sie war ernsthaft wütend.
»Idiot, meinen Sie? Na, wir werden ja sehen.« Er griff zum Telefon auf dem Schreibtisch und wählte eine Nummer.
»Kevin, hier ist Jack. Ich habe vor zwanzig Minuten Jane Wade im Krankenhaus gefasst. In Lavelles Zimmer. Sie hat ihren Pass und Tickets dabei, um morgen ins Ausland zu fliegen… Ja, Italien. Außerdem hat sie versucht, ein Schriftstück in ihrer Tasche zu verstecken…« Er hielt die Broschüre hoch.
»Es ist dieser Comic vom Zehnten Kreuzzug, die Worldsend Times . Interessant, oder?… Ja, ich auch. Was soll ich mit ihr machen?… Findest du das wirklich richtig?… Also gut.«
Jane hatte den Inhalt ihrer Tasche wieder eingeräumt und griff gerade nach Pass und Flugtickets, als Taaffe mit der Hand darauf schlug.
»Das behalten wir vorläufig. Und die Broschüre und die CD. Ich denke, ich konfisziere den CD-Player auch gleich, dann kann ich sie mir anhören. Vielleicht sind ja geheime Botschaften drauf.« Er grinste wieder höhnisch und nahm sich eine ihrer Visitenkarten, auf denen auch ihre Privatadresse stand.
»Fahren Sie heim und warten Sie, bis am Abend jemand von uns zu Ihnen kommt. Wir nehmen eine Aussage von Ihnen auf. Ist das klar?«
Jane raffte wortlos ihre Tasche zusammen und stürmte aus dem Raum.
Auf der Heimfahrt fuhr sie unkonzentriert, missachtete mehrere rote Ampeln und wurde von anderen Autofahrern angehupt, weil sie ohne zu blinken die Spur wechselte. Sollte sie sich an einen Anwalt wenden? Wie konnten sie es wagen, sie so zu behandeln? Würde man sie davon abhalten, nach Italien zu fliegen? Und was war mit Liam? Was würde er tun? Kafkaesk, das Ganze. Völlig absurd.
Als sie in Ryevale ankam, hatte sie sich schon wieder etwas beruhigt. In gewisser Weise war die ganze Sache sogar komisch. Zwei Leute, die versucht hatten, ein mörderisches Rätsel zu lösen, wurden mit dem Verbrechen in Zusammenhang gebracht. Als würde man Cluedo spielen, und wenn man den Umschlag öffnet, steht der eigene Name auf der
Weitere Kostenlose Bücher