Die Keltennadel
gerückt und ergriff nun die Gelegenheit für ihr Interview.
»Becca, ich bin Jane Wade von Artspeak – wir sind uns schon einmal begegnet. Hätten Sie Zeit für ein paar Worte?« Sie waren umringt von Beccas Gefolge, das es offenbar kaum erwarten konnte, dass Jane wieder ging.
»Ein bisschen laut hier für einen Mitschnitt, finden Sie nicht?«, erwiderte Becca. »Gehen wir ein Stück.«
Seite an Seite mit Becca wurde Jane nun Teil eines geschützten Raumes, der sich durch die Menge bewegte. Sie gingen durch die Saaltüren zu einer Ecke in der Eingangshalle. Jane holte Recorder und Mikrofon heraus.
»Ich habe nur ein, zwei Minuten Zeit«, sagte Becca.
Jane drückte den Aufnahmeknopf und hielt das Mikrofon hoch.
»Was hat Sie dazu geführt, sich von Yeats inspirieren zu lassen?«
»Vor ein paar Jahren hat Joni Mitchell ein Lied geschrieben, das auf seinem Gedicht ›The Second Coming‹ basiert. Mir wurde klar, dass mir dieses und noch sehr viel mehr von seinem Schaffen unbekannt war. Außer ›Down by the Sally Gardens‹ und ›The Stolen Child‹ hatte ich nie etwas gehört, das vertont wurde. Dann gab es Ende der Neunziger ein Album, auf dem Leute wie die Cranberries oder Van Morrison seine Gedichte umsetzten. Ich fing an, ihn neu zu lesen, stellte aber fest, dass ich Hilfe brauchte, um zu verstehen, wo seine Ursprünge lagen. An diesem Punkt kam David ins Spiel…«
Sie blickte sich nach ihrer Gruppe um, die während des Gesprächs mit Jane ein wenig zurückgeblieben war – er war nicht unter ihnen.
»Wir haben uns letztes Jahr in New York kennen gelernt. Janet Klein, die Künstlerin, die mein letztes Plattencover gestaltet hatte, hat uns vorgestellt. Er machte sich in den dortigen Kreisen gerade einen Namen als spiritueller Lehrer, der Yeats als einen Propheten des New Age ansah. Vermutlich war es der irische Aspekt, der meine Neugier weckte. David hat gewissermaßen die Tür aufgeschlossen… aber hören Sie sich das Album an, es ist mehr als eine Vertonung von Yeats.«
Sie hatte erst ein, zwei weitere Fragen beantwortet, als sich George Masterson zwischen die beiden drängte.
»Tut mir leid, aber Becca fliegt noch heute Nacht zum Albumstart in den Vereinigten Staaten nach L. A. – sehen Sie zu, dass Sie eine von den CDs ergattern…« Mit diesen Worten führte er die Sängerin zu einer schwarzen Limousine, die vor dem Eingang parkte.
Jane entdeckte Jessica Smith am Empfangstisch und holte sich ihr Album ab. Spontan beschloss sie, nicht wieder in den Saal zu gehen, sondern sagte Jessica gute Nacht, ließ sich Hut und Mantel geben und verließ das Museum. Ihre Stiefel knirschten auf der dünnen Schneeschicht, die inzwischen gefallen war.
15
P farrer Lavelle fand es schon überraschend, dass Bonner überhaupt einem Treffen zugestimmt hatte, aber wie ihm Dempsey erläuterte, als sie durch das Tor des Mountjoy-Gefängnisses schritten, war es gerade die Aussicht auf die Begegnung mit dem Priester gewesen, die den Ausschlag dafür gegeben hatte.
»Das verstehe, wer will«, sagte Lavelle, während sie an den Mauern und Türmchen des alten Gefängnisflügels entlanggingen, die sich nun weiß vom Nachthimmel abhoben, weil der Schnee auf ihnen liegen blieb. »Ist er eigentlich vorbestraft?«
»Wayno hat mehr Gefängnisaufenthalte hinter sich als ich warme Mahlzeiten«, sagte Dempsey. »Bewaffneter Raub, unter anderem mit Spritzen und Messern, Heroin und Kokainhandel, Überfälle, Einbrüche, Autodiebstähle, was Sie wollen. Einiges davon begangen, während er auf Kaution draußen war oder Freigang hatte. Jetzt strebt er eine vorzeitige Entlassung an, weil er drogenfrei ist, seine Irrtümer einsieht und so weiter.«
Sie trafen Bonner wie vereinbart im Besucherzimmer. Er saß ganz allein an einem langen Tisch, der in der Mitte von einem dreißig Zentimeter hohen Gitter geteilt wurde. Ein Gefängnisbeamter stand an der Eingangstür zum Zellentrakt. Bonner machte aus einer Bibel und einem zweiten Buch, das offen daneben lag, Notizen in einen Schulblock.
»Überlassen Sie die Befragung hauptsächlich mir«, knurrte Dempsey aus dem Mundwinkel.
Bonner blieb sitzen, als der Detective sich und den Priester vorstellte. Sein Schädel war kahl rasiert, er trug einen dünnen Schnurrbart, und seine blasse Haut war von Aknenarben übersät. Dempsey fragte ihn zunächst, wie er mit dem Zehnten Kreuzzug in Kontakt gekommen sei. Bonners rotgeränderte, hellblaue Augen blickten rasch von einem Mann zum anderen.
»Na
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