Die Keltennadel
von Bingen an.«
»Sie sind aber schwer auf Draht, Herr Pfarrer – in Ihrem Verein kennen heutzutage nur noch die wenigsten ihre Propheten, die nicht im Alten Testament stehen. Ganz recht, und Hildegard nennt uns auch folgende Anzeichen für das Zeitalter des Antichrist.« Er zitierte aus dem Gedächtnis:
»Er wird Religion zu einer bequemen Angelegenheit machen, für die keine Entsagung oder Disziplin nötig ist; Schmausen und Trinken im Übermaß ist gestattet, er wird freie Liebe predigen und Familien auseinander reißen; er wird alles Heilige verhöhnen und die Kirche lächerlich machen, Bescheidenheit wird verdammt werden und Hochmut ermuntert. Er wird behaupten, dass Sünde und Laster gut sind, und den Weg zur Hölle zum Pfad in den Himmel erklären…
Als Priester müssen Sie zugeben, dass das eine exakte Beschreibung unserer Zeit ist, und das bedeutet, der Antichrist wandelt bereits auf Erden, oder glauben Sie nicht an ihn? Filtern Sie die härteren Brocken in der Bibel einfach heraus, weil Ihnen der Mumm für das fehlt, was die großen Propheten zu sagen hatten? Und dann werfen Sie mir vor, dass ich eine willkürliche Auswahl treffe?«
»Nein, ich glaube nicht an den Antichrist«, sagte Lavelle ruhig.
»Und deswegen sind nämlich Sie auf dem Holzweg, Hochwürden, nicht ich. ›Oh, ihr Kleingläubigen.‹«
Dempsey mischte sich ein. »Was hat das alles damit zu tun, dass Sie sich diesen einen unglücklichen Menschen, diesen Khaled Bourada, herausgepickt und ihn fast umgebracht haben?«
»Na, Sherlock, Sie haben auch noch einiges zu lernen. Er kam in den Neunzigern hierher und behauptete, er sei vor den Fundamentalisten in Algerien geflohen. Wir haben herausgefunden, dass er in Wirklichkeit ein Mitglied der Islamischen Heilsfront war und hier ihren Dschihad ins Leben rufen sollte. Das sind die Schweinehunde, die selbst ihre eigenen Männer, Frauen und Kinder abschlachten, wenn sie eine Revolution anzetteln wollen. Unsere Londoner Gruppe, die die Aktivitäten von islamischen Terroristen überwacht, hat uns über ihn aufgeklärt. Sie haben eine Gewalttat vorausgesagt, die zu verstehen geben sollte, dass der Heilige Krieg in Irland angekommen ist. Es war Zeit für einen Gegenschlag – um zu zeigen, dass wir ihnen auf die Schliche gekommen sind.«
»Aber warum sollten sie sich ein kleines Land wie Irland zum Ziel nehmen?«, fragte Dempsey. »Wir hatten all die Jahre gute Beziehungen zu den arabischen Staaten.«
»Dafür gibt es jede Menge Gründe. Für die Islamische Heilsfront ist die Europäische Union die Rückkehr des Heiligen Römischen Reichs, ja? Und denken Sie dran, dass Irland einst das strahlende Licht des christlichen Glaubens war und Europa aus dem finsteren Mittelalter gerettet hat. Vergessen Sie das nicht, ja? Dann sind wir auch ein Land, in dem es keine Moslems gab, bevor sie in den Neunzigern scharenweise daherkamen – Bosnier, Araber, Pakistani, Schwarze. Wir waren also das letzte Land der Erde, das ihnen in die Hände gefallen ist. Außerdem haben wir eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, auf die die EU stolz ist, und wir sind immer noch ein christliches Land, im Großen und Ganzen. Wenn sich der Antichrist also dranmacht, Europa zu unterwandern, dann sieht man sofort, wie wichtig Irland für seinen Plan ist.«
Dempsey seufzte, und Lavelle konnte nachfühlen, wie sehr ihm Bonners Wortschwall und seine rassistischen Hetztiraden auf die Nerven gingen. Aber Dempsey gelang es, sich zu beherrschen, und er fragte sachlich: »Sie haben versucht, Informationen aus Bourada herauszuholen. Was hat er Ihnen erzählt?«
»Natürlich hat er geleugnet, etwas über den Dschihad zu wissen, er wusste nichts von geplanten Bombenanschlägen und Flugzeugentführungen… also habe ich eine andere Methode versucht… Ich habe ihn gefragt, welche rituelle Handlung er sich ausdenken würde, wenn er Christen beleidigen wollte. Sein Englisch war nicht besonders, deshalb konnte ich ihm nicht so ganz folgen, aber jetzt ergibt alles einen Sinn.«
»Aber Sie haben den armen Mann gefoltert, er musste sich etwas ausdenken, wahrscheinlich war es ein Haufen Quatsch, was ihm gerade in den Sinn kam«, hielt Dempsey dagegen.
»Glauben Sie, was Sie wollen, ich weiß jetzt, was sie vorhatten, weil es bereits passiert ist«, sagte Bonner selbstgefällig. Er ließ einige Augenblicke der Stille verstreichen, in denen er ihre wachsende Neugier und Frustration auskostete. »Ein Angriff auf die Christenheit, ja? Was würden
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