Die Keltennadel
Seiki, Heilen durch Energie, Farbtherapie, die Dienste eines Hellsehers, eines geistigen Lehrers und eines Astrologen, einen Vortrag über Engel und Elfen und einen Workshop, den ein Anhänger der Reinkarnationslehre gab, der zudem ausgerechnet Tänzer war. Es gab auch ein Regal mit Büchern, und Dempsey zog wahllos eins heraus. Es trug den Titel: Abriss der Theosophie.
Der Klappentext verriet ihm, dass alle Religionen einer Quelle entsprangen, die dem Eingeweihten von der Theosophie enthüllt wird. Schriftsteller und Künstler wurden aufgezählt, die aus diesem Quell des Wissens getrunken hatten, von dem irischen Dichter W. B. Yeats bis zu dem amerikanischen Maler Jackson Pollock. Dempsey blätterte in dem Band, fand aber wenig von Interesse, bis sein Blick auf einen Absatz fiel:
… alle Informationen, die einen Menschen aus der äußeren Welt erreichen, tun dies durch eine Art Schwingungen… wenn ein Mensch ein Empfindungsvermögen für zusätzliche Schwingungen entwickeln kann, wird er auch zusätzliche Informationen erhalten; er wird das, was man allgemein »hellsichtig« nennt.
Ich könnte ein paar zusätzliche Informationen gebrauchen, dachte Dempsey schmunzelnd. Dann überlegte er, dass diese Schwingungen die Beach Boys in den Sechzigern vielleicht zu ihrem Hit »Good Vibrations« inspiriert hatten. Schließlich blätterte er zum Ende des Buchs und sah eine Liste mit weiteren Titeln inklusive Preisen.
Vier große Religionen: Hinduismus, Buddhismus, Zoroastrismus, Christentum – Annie Besant 2s. od. Der Weg der Initiation – Dr. Rudolph Steiner 3s. 6d. Praktischer Okkultismus – H. P. Blavatsky 1s. od. Das Parfüm Ägyptens – C. W. Leadbeater 3s. 6d.
Der letzte Titel machte ihn neugierig. Vielleicht hatten sie ihn vorrätig. Erst als er das Buch schloss, fiel ihm auf, dass die Preise aus der Zeit vor Einführung des Dezimalsystems stammten. Er hatte sie gelesen, ohne sich etwas dabei zu denken. Wahrscheinlich hatte ihn die Erinnerung an die sechziger Jahre dafür empfänglich gemacht. Er schlug das Buch noch einmal auf und entdeckte zu seinem nicht geringen Erstaunen, dass er den Nachdruck eines Werks in der Hand hielt, das 1915 zum ersten Mal veröffentlicht wurde!
Er stellte es ins Regal zurück, als befürchtete er, es könnte verhext sein.
Die Kundin, die Gaye bedient hatte, ging, und Dempsey sprach die Verkäuferin an. Sie war Anfang Dreißig, trug das Haar in gefärbten Zöpfen, und ihre Ohren waren mit einer ganzen Reihe von Ringen geschmückt. Ihrem Akzent nach war sie Engländerin.
»Ich bin Detective Inspector Dempsey. Gaye… ? Ich habe Ihren Nachnamen nicht mitbekommen.«
Sie mied seinen Blick und schaute auf ihre Kasse hinab.
»Simmons«, antwortete sie knapp.
»Ich muss Ihnen einige Fragen stellen, Gaye. Es dauert nur ein paar Minuten…«
Ein neuer Kunde betrat den Laden und kam an den Tisch. Moira unterhielt sich mit ihrer Freundin im Teeraum. Gaye sah erst den neuen Kunden an, dann Dempsey.
»Wie Sie sehen, sind wir beschäftigt.« Sie war nervös und trommelte mit ihren beringten Fingern auf der Kasse.
»Ich kann warten.«
»Ich würde lieber woanders reden. Ich mach um vier Uhr Schluss, weil ich meine Kinder abholen muss. Wir treffen uns draußen, in Ordnung?«
Dempsey sah auf die Uhr. Noch eine Stunde.
»Also dann um vier.«
Bis Gaye mit ihrer Arbeit fertig war, ging Dempsey in ein Pub namens Red Hanrahan’s und bestellte ein Käsesandwich. Dann las er noch einmal den Teil von Lavelles Bericht, der sich mit den beiden Punkten beschäftigte, über die er in Sligo Fragen stellen wollte – die Keltennadel und das Duftöl.
Duftöle sind bei Reinigungsriten gebräuchlich, weil angenehme Gerüche als in sich rein angesehen werden. Sie finden seit langem Verwendung bei der Salbung und Einbalsamierung von Leichnamen vor der Beerdigung, und die sterblichen Überreste mancher Heiliger verströmten angeblich noch Jahre nach ihrem Tod einen Wohlgeruch. Häufig wurde Blumenduft, vor allem von Rosen, mit Marienerscheinungen (»die Reinste ihres Geschlechts«) in Verbindung gebracht, und offenbar fand der Prophet Mohammed Gefallen an dem aus Veilchen gewonnenen Parfüm. Weihrauch wird in ganz Fernost und in katholischen Kirchen bei Zeremonien benutzt.
Schmuckstücken, Edelsteinen und Amuletten werden oft reinigende Kräfte zugesprochen. Ihr Einflechten in die Verbände ägyptischer Mumien mag diese Funktion gehabt haben, nährte aber auch Spekulationen über ihre Bedeutung als
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