Die keltische Schwester
häuslicher Nähe mit Robert leben wollte, sondern auch, weil ich wirklich zu arbeiten hatte und mir derartige Ablenkungen, wie harmlos auch immer, nicht in den Kram passten.
Ich hatte geplant, die Reise in zwei gemütlichen Etappen hinter mich zu bringen, denn meinen Wagen wollte ich unbedingt dabei haben. Außerdem hatte ich eine Menge Gepäck zu transportieren. Ich startete an einem leuchtenden Nachmittag, und, ehrlich gesagt, ich freute mich schon auf die Reise.
Wulf war bereits eine Woche vor mir geflogen und hatte mich sogar einmal zu Hause angerufen, um mir zu berichten, dass das Hotel wirklich ein kuscheliger Lichtblick sei. Andererseits waren die Arbeiten nicht so weit vorangeschritten, wie es wünschenswert gewesen wäre. Ungehalten hatte er zugegeben, dass es in Plouescat inzwischen eine ziemlich laute Opposition gegen das Projekt gab. Das Lautstarke daran war weniger störend, dahinter hatte sich ein gewisser passiver Widerstand entwickelt, der seine Quelle im Rathaus hatte. Anträge, die den Bau betrafen, wurden mit französischer Gründlichkeit bearbeitet, und Wulf hatte sich bereits bei Callot beschwert.
Nun ja, damit war natürlich zu rechnen gewesen. Ich zweifelte aber nicht daran, dass der Bürgermeister die Angelegenheit in den Griff bekam. Er war ja selbst einer der Initiatoren des Vorhabens gewesen. Hingegen erfüllte mich die Aussicht auf die traute Zweisamkeit mit Wulf in besagtem Kuschelhotel mit einem gewissen Unbehagen. Zwar hatten wir in der letzten Zeit wieder eine lockerere Art des Miteinanders gefunden, aber da war dieser Sonntag vor zwei Wochen, der einige widerstreitende Gefühle in mir geweckt hatte.
Ich war nach meinem morgendlichen Squash-Spiel mit Beni zu ihm gefahren. Er hatte mir in einer seltsamen Bekleidung geöffnet. In einer weiten, schwarzen Hose, die zu seiner Kendo-Ausrüstunggehörte, und mit bloßem Oberkörper, sehr muskulös und sehr braun, hatte er zum Anbeißen ausgesehen.
»Willst du die Nachfolge des letzten Samurai antreten?«
»So weit bin ich leider noch nicht. Aber ich will noch einmal meine Übungen durchgehen. Mein Training wird mir in den kommenden Wochen fehlen. Komm, schau mir zu, wenn du willst! Ich gehe meine Schwert-Kata durch.«
»Was machst du?«
»Einen Kampf gegen unsichtbare Gegner.«
Er hatte das Bambus-Schwert aus seiner Halterung genommen und sich in der Mitte des Raumes aufgestellt.
Anfangs hatte ich seinen geschmeidigen, langsamen Bewegungen mit einer gewissen Bewunderung zugesehen, nicht ohne ein Fünkchen Spott natürlich, denn Wulf produzierte sich doch recht gerne in solchen Posen. Aber als er nach dem Absolvieren der unterschiedlichsten Hiebe und Stöße dann zu dem richtigen Schwert griff, packte mich wieder dieses entsetzliche Grauen, das mich bereits schon einmal in den Fängen gehalten hatte. Ich musste die Augen schließen, doch selbst da setzte mich das Zischen des Stahls, der mit unheimlicher Geschwindigkeit durch die Luft peitschte, in namenlosen Schrecken.
»Hallo, Lindis! Was hast du denn? Ich wusste gar nicht, dass du so ein Mimöschen bist. Du bist ja ganz grau um die Nase!«
»Tut mir leid. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Irgendwie mag ich Schwerter nicht.«
»Stell dich nicht so an! Hier, nimm es mal in die Hand, dann zeige ich dir die Grundhaltung.«
Er wollte mir die Waffe reichen, aber ich bekam sie nicht zu fassen, daher fiel sie klirrend zu Boden.
»Lindis!«, rief er empört und hob sie auf.
Mein Verhalten war für ihn so verwerflich, dass er mir anschließendeinen langen Vortrag über die Ehre des Schwertes hielt.
»Du musst deine krankhafte Abneigung dagegen mal bekämpfen, Mädchen. Ich möchte nicht wissen, was ein Psychiater dazu sagen würde.«
»Ich auch nicht. Könntest du jetzt bitte so nett sein und dein Training beenden?«
»Ich bin noch nicht fertig.«
Mit wütendem Einsatz setzte er seine Übungen fort, und ich schlich mich leise aus der Wohnung. Für mich war der Nachmittag gelaufen.
Am nächsten Tag hatte Wulf sich zwar entschuldigt, aber, wie gesagt, es war etwas endgültig zerbrochen, das ich auch nicht mehr flicken wollte. Daher mein Unbehagen bezüglich der großen Nähe, die uns beiden in den nächsten Wochen bevorstand. Aber vermutlich würde es genügend Möglichkeiten geben, sich aus dem Weg zu gehen.
Ich übernachtete in einem dieser schrecklich standardisierten französischen Motels an der Autobahn und machte mich am nächsten Morgen auf den Weg, die letzten
Weitere Kostenlose Bücher