Die keltische Schwester
Tonfall anzuschlagen. Als ob du bestimmen kannst, wen ich haben kann oder nicht.«
Eben, jedes Wort zu viel. Ich griff zum Telefon und wählte Wulfs Nummer.
»Kannst du bitte sehr schnell herkommen?«
»Was ist denn los, Lindis?«
»Hör auf zu telefonieren! Du hörst mir jetzt zu! Ich habe dir noch etwas zu sagen«, schrie Karola dazwischen, und Wulf sagte nur: »Verstehe. Ich komme.«
Er kam zum Glück wirklich sehr schnell.
»Er fand meine Jessika-Milena auch charmant, du brauchst mir nicht den Bengel von dieser Halbkriminellen unter die Nase zu reiben«, blökte Karola gerade, als Wulf hereinkam.
»Was ist denn hier los, Lindis? Karola?«
Mit einem Aufheulen warf sich Karola an seine Schulter. Ich drehte mich taktvoll weg. Vor allem, um Wulfs vorwurfsvollem Blick zu entgehen. Er führte mit leisen, beruhigenden Worten die Jammernde aus meinem Büro. Puh!
»Frau Farmunt, tut mir leid. Das wollte ich damit nicht auslösen. Hier, trinken Sie das.«
Susi stand mit schuldbewusstem Blick in meinem Zimmer und hielt mir ein Glas Sekt entgegen. Ihre Art von Entschuldigung. Allerdings musste ich gestehen, dass mir das prickelnde, kalte, wenn auch zu süße Zeug guttat. Diese Gefühlsausbrüche hinterließen einen widerlichen Nachgeschmack.
Nach einer Weile kehrte Wulf zurück und ließ sich mit gespielter Erschöpfung in einen Stuhl fallen.
»War das nötig, Lindis? Mir diesen nassen Lappen an den Hals zu werfen?«
»Der Lappen warf sich selbst, wenn ich das richtig beobachtet habe. Und du bist nicht ganz schuldlos daran, meinst du nicht auch?«
»Nee, völlig schuldlos!«
»Na, Wulf, du hast doch offensichtlich Hoffnungen geweckt. Ich weiß ja nicht, was letzten Sonntag vorgefallen ist, aber es muss ja Wirkung gehabt haben.«
»Na also, Lindis! Du bist doch in der letzten Zeit nicht sehr zugänglich gewesen, oder?«
Ich musste lachen. Wulfi, wie er die Welt sah!
»Hast du etwa gedacht, ich würde zugänglicher, wenn du dich mit meiner ehemaligen Freundin verabredest?«
Es war an ihm, überrascht dreinzusehen.
»Du hast es gedacht, schon gut. Aber leider fehlt es mir in diesem Fall an den gebührenden Gefühlen der Eifersucht.«
»Lindis, Lindis, was bist du für ein gefühlsarmer Mensch!«
»Nur, weil ich nicht den gängigen Klischees entsprechendreagiere? Wulf, stell dich doch nicht naiver, als du bist. Wir wissen doch beide, wie es um unsere Beziehung gestellt ist, oder?«
»Karola hat in gewisser Weise recht – du bist berechnend und kalt.«
»Du nicht? Dein Versuch, mich auf diese schäbige Art aus der Reserve zu locken, war doch ein Glanzstück berechnender Kühle, oder?«
Er schüttelte als Antwort nur den Kopf, stand auf und ging aus dem Zimmer. Na gut, dann eben so.
5. Faden, 4. Knoten
Am Mittwoch kam Roberts Antwort.
Liebe Lindis,
Dir geht es besser, wie ich aus Deiner Nachricht ersehe. Zwischen allen höflichen Floskeln entnehme ich Deiner Mail, dass Dir das Schicksal meines Heimes am Herzen liegt. Und – seltsamerweise – auch das der alten Morwenna.
Du sollst natürlich Deine Antwort haben.
Nein, noch sind wir nicht vom Abriss bedroht, auch wenn im Dorf bereits Vorbereitungen getroffen werden, das Container-Lager für die Bauarbeiter zu errichten. Was nicht ungeteilte Freude findet, wie Du Dir denken kannst.
Das Gelände, auf dem mein Haus steht, gehört der alten Morwenna, hier auch allgemein als Mère Keroudy bekannt, die noch immer in der Hütte vorne am Meer wohnt. Sie ist ein echtes Original, die Alte. Eine Bretonin reinsten Wassers, sechsundneunzig Jahre alt, aber noch immer lebendig und an allem interessiert, was um sie herum vorgeht. Meine Haushälterin Marie-Claire kümmert sich zwar täglich um sie, bringt ihr mit, was sie aus dem Dorf braucht, und hilft ihr auch schon mal bei
der Wäsche, aber ansonsten ist die alte Dame noch sehr selbständig. Wenn ich es einrichten kann, gehe ich auch täglich einmal zu ihr.
Als Ferienhaus das Hüttchen zu mieten ist absurd. Es gibt weder fließendes Wasser noch einen Elektroanschluss. Morwenna hat einen Brunnen mit Pumpe und Petroleum-Lampen. Das hält sie gelenkig und fit, meint sie. Schreiben brauchst Du ihr auch nicht, denn sie hat zeitlebens nicht Lesen gelernt.
Mein Angebot steht allerdings noch. Im Anbau ist Platz für Euch, es gibt zwei Schlafzimmer unter dem Dach, zwei Wohnräume und ein Bad unten. Richte Beni doch bitte aus, insbesondere das hintere Zimmer ist einer Prinzessin würdig. Man hat es mit einem rosa
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