Die keltische Schwester
ihre Augen auf uns nieder.
Rechts stand der Mann, groß und mit breiten Schultern, seine gelockten Haare lang niederfallend, sein Gesicht bärtig. Um seine Hüften lag ein Fell, von einem breiten Ledergürtel gehalten. Stark war er, doch nicht grausam, machtvoll, doch nicht unbarmherzig. Er lächelte, und über seinem Haupt erhob sich der junge Mond.
Ich hatte den unwiderstehlichen Wunsch, Roberts Hand zu ergreifen, und langte nach ihm.
Der Mann reichte seine Hand der silbernen Frau, und ein blauweißer Blitz zuckte zwischen ihnen über den Bergen auf. So hell und blendend, dass ich die Augen schließen musste.
Als ich sie wieder öffnete, brannte das Feuer im Kamin friedlich, und rote Glut fiel knisternd durch den Rost. Robert hatte meine Hand genommen und sie an seine Lippen geführt. Der Dämon sprang von seinem Schoß, reckte sich, gähnte und schlenderte in die Küche.
Beni saß versunken da und starrte in das Feuer, Teresa strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn und sah Robert mit einem wissenden Lächeln an.
»Ich denke, ich werde José mal anrufen«, meinte sie und stand auf.
»Tu das, Teresa. Grüße ihn von mir.«
»Robert, was war das eben? Spinn ich? Habt ihr das auch gesehen?«
»Wir haben es auch gesehen, Beni.«
»Lindis, war das Danu?«
»Nein und doch, auch. Du wirst es schon selbst herausfinden müssen.«
Sie schwieg lange, bis Teresa zurückkam. Dann fragte Beni noch einmal verwundert und mit sehr kleiner Stimme: »Robert, bist du ein Zauberer?«
»Nein, nur ein geheimnisvolles Holz«, meinte Teresa an seiner statt, und Robert lachte.
»Zu Bett alle miteinander. Und träumt schön.«
Er stand auf und zog mich mit sich hoch.
»Nicht ganz fair, ich weiß«, sagte er leise zu mir. »Komm, Honigauge. Zurück in diese Welt und nahe zu mir.«
8. Faden, 9. Knoten
Die Maus hatte sich in ihrer neuen Umgebung umgesehen und sich nach einer kleinen Weile zurechtgefunden. Es war die ungefährlichste Bleibe, die sie je hatte. Keine Katze, keine Riesen mit großen Füßen, altes, morsches Holz hier und da, Eckchen und Winkel zum Verstecken, Krümel und Brösel zum Naschen und nur eine ganz flach atmende Frau in ihrem Bett.
Neugierig schlüpfte sie unter Truhen und Bänke, kletterte ein Regal hoch, beschnupperte das Kasserol auf dem Herd und befand, dass es sich lohnen würde, ein Nest unter dem Schrank in seiner Nähe zu bauen. Geeignetes Material zum Auspolstern hatte sie auch schon gefunden. Vergnügt zernagte sie das Papier, das auf dem Tisch lag.
Knoten 4., 5. und 13. Faden
Ich schlief tief und traumlos in Roberts Armen, glücklich wie noch nie in meinem Leben. Ich hatte gefunden, was ich gesucht hatte. Meine Ergänzung, meine fehlende Hälfte, meinen Freund.
Ein scharfer Knall, ein langes Grollen weckten mich auf einen Schlag. Das Glas auf dem Nachtisch klirrte leise.
»Ein Erdbeben?«
Robert war genauso wach wie ich auch.
»Nein. Das war eine Sprengung. Raus, Lindis, es gibt Ärger!«
In ungeheurer Geschwindigkeit war Robert in seine Jeans und ein Shirt geschlüpft und band sich schon seine Joggingschuhe zu, während ich noch mit meiner Bluse kämpfte. Er rannte nach unten und klopfte an die Tür des Anbaus.
»Zieht euch an, schnell. Kommt zu Morwenna.«
Ich rannte ebenfalls nach unten und hinter ihm her über die Wiese. Vom Strand vor der Felszunge wehte uns noch Staub entgegen. Ich sah auf die Uhr. Es war halb acht.
Robert öffnete vorsichtig die Tür von Morwennas Häuschen und rief leise nach ihr. Ich trat mit ein und folgte ihm in das Zimmer, in dem Morwenna ordentlich zugedeckt in ihrem Bett lag. Ihre weißen Haare ruhten als dünner Zopf auf dem Kissen, die Hände hatte sie über der Decke auf der Brust gekreuzt. Sie sah ruhig und glücklich aus.
Robert kniete neben ihr und fühlte vorsichtig nach ihrem Puls. Aber ich konnte mir schon denken, dass er keinen Herzschlag mehr finden würde.
»Sie sieht aus, als höre sie diesen Gesang, von dem sie gestern sprach«, flüsterte ich, und die Tränen liefen, ohne dass ich es verhindern konnte, über meine Wangen. Sie war eine alte Frau, die ich kaum gekannt hatte. Sie war hinübergegangen in eine Welt, die ihr schon lange vertraut war. Und dennoch, es wareine solche Würde um sie gewesen, dass mich tiefe Trauer ergriff. Robert murmelte einige bretonische Worte, ein Abschied vielleicht oder ein Segen.
»Sie ist sanft eingeschlafen, ich hoffe, bevor dieser verdammte Affe seine pyrotechnische Aufführung hier zum Besten
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