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Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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andere Einstellung vor. Er hatte sich zur Feier unseres Besuches von seinem Schreibtisch getrennt, auch wenn das fast einer Amputation gleichkam. Als meine Mutter in der Küche verschwunden war, um das Abendessen zu richten, setzte er sich zu mir und fragte: »Na, Lindis, jetzt willst du dein Glück bei Beni versuchen? Glaubst du denn, dass du etwas bei ihr erreichst?«
    »Ich denke schon. Vater, Beni ist trotzig, nicht blöd. Verstehst du das nicht? Mutter geht ihr auf den Geist, wenn sie ständig mit ihren Leistungen hausieren geht.«
    »Sie meint es doch gut. Ihr beide seid sehr begabte Menschen, Lindis. Warum soll sie das nicht anderen gegenüber sagen?«
    »Weil es erstens nicht ihre Leistung ist, und weil zweitens sowohlBeni als auch ich nicht besonders stolz darauf sind, dass uns manche Sachen eben leichtfallen. Vater, man freut sich doch viel mehr über die Anerkennung für etwas, das man aus eigener Kraft erreicht hat. Oder?«
    »Wie wahr, Lindis.«
    »Und genau die verweigert sie uns«, fügte ich bitter hinzu.
    Er nickte. »Es ist traurig, Lindis. Aber deine Welt und ihre Welt haben unterschiedliche Werte. Schade, dass ihr nicht zusammenfinden könnt.«
    »Lassen wir es einfach dabei, Vater. Beni wird es jedenfalls bei mir besser haben als hier. Gut, und nun wollen wir wieder höflich Konversation machen.«
    So hielten wir es dann auch für den Rest des Aufenthaltes.

10. Faden, 1. Knoten
    Der Dämon hatte ein gutes Leben. Zumindest seit der Mann in das Haus gezogen war. Vorher hatte der Rote auf einem Bauernhof sein Revier mit drei weiteren Katzen teilen müssen. Das war auch nicht schlecht, denn es gab genug Nahrung und manchmal auch ein paar Streichler, wenn im Sommer Gäste kamen. Aber dort hatte der Kater keinen Namen, er war einfach
»le chat rouge«
.
    Der Mann aber, der das alte Feldsteinhaus bezogen hatte, war persönlicher geworden. Er hatte zwar
le chat rouge
von seinem Revier fortgebracht und ein paar Tage auch nicht aus dem Haus gelassen, aber es stand immer ein wohlgefüllter Napf mit Futter bereit. Auch eine weiche Decke in der Nähe des Kamins war da. Aber das Wichtigste war der Name. Er wurde dem Kater wieder und wieder ins Ohr geflüstert, wurde gerufen, wenn in der Küche Brettchen und Messer klapperten,und genannt, wenn das Schüsselchen Sahne auf dem Steinfußboden leise klirrte.
    »Dämon« wurde der Name des roten Katers. Manchmal auch, beim Kraulen vor allem: »Dämönchen!« Wenn Besucher kamen, aber mit fremder Aussprache: »Démon«.
    Auf Dämon aber hörte der Kater am liebsten, wenn er bereit war, überhaupt zu hören.
    Er hörte indes auf gar keinen Namen, wenn er auf der Jagd war. Dann waren seine Sinne auf andere Dinge gerichtet. Auf das fast unmerkliche Zittern eines Hälmchens, die feine Witterung auf dem steinigen Boden, das beinahe unsichtbare Blinken im Auge einer hungrigen Maus, die am Ausgang ihrer Höhle darauf wartete, dass die Gefahr vorüberzog.
    Der Kater saß wie eine rote Kugel zusammengekauert in der grünen Wiese unterhalb des hohen, grauen Steines. Sein Schwanz fegte hin und wieder durch das Gras, ansonsten verhielt er sich völlig unbeweglich. Er hatte Geduld, viel Geduld. Irgendwann würde die Maus schon hinauskommen, sie waren bislang immer alle aus ihren Löchern gekommen, wenn er ganz ruhig wartete.
    Nebenbei registrierte der Dämon mit seinen feinen Sinnen, dass sich ein anderes Lebewesen näherte. Mit den empfindlichen Sensoren in seinen Pfoten fühlte er die Erschütterungen, die die Schritte verursachten. Mensch, stellte er fest. Uninteressant.
    Die Maus hatte ihre Nase weiter vorgewagt und schnupperte. Gleich, gleich würde er sich auf sie stürzen. Der Kater spannte die Muskeln, die Maus setzte eine Pfote aus der Höhle, der unbekannte Mensch sagte: »Mist!«
    Wie ein roter Blitz schoss der Dämon in Richtung Haus davon, verärgert, dass er so plötzlich aufgeschreckt worden war.
    Die Frau stützte sich mit einer Hand an dem grauen Stein ab, schüttelte einen spitzen Stein aus ihrem Schuh und sah dem fliehenden Kater verblüfft nach. Die Maus bemerkte sie nicht.
    Diese hatte ebenfalls von der Gefahr und ihrer Rettung in letzter Sekunde nichts mitbekommen. Sie knabberte an einem Körnchen, das sie zierlich in den Vorderpfoten hielt.
    Dem Stein war das alles gleichgültig.

1. Faden, 3. Knoten
    Ich hatte nicht viel zu tun in Plouescat. Wir waren Montagnachmittag in Brest gelandet und hatten uns ein Auto gemietet, um die knapp hundert Kilometer zu

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