Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die keltische Schwester

Die keltische Schwester

Titel: Die keltische Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
dem Ort zu fahren. Es war schon Ferienzeit, man erkannte es deutlich an den vielen Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen. Wulf und ich verstanden uns gut, er war gesprächig und lästerte mit beißendem Spott über die Ausflügler, die am Straßenrand die Aussicht genossen. Gut, die Landschaft hatte etwas Urwüchsiges, die Dörfer waren pittoresk, aber weder sein noch mein Geschmack lag in der Richtung unzivilisierter Felsküsten. In Plouescat bezogen wir ein Hotel, das als das beste im Ort bekannt war, teuer und daher nicht von Touristen überlaufen.
    Das Gespräch mit Léon Callot bei einem hervorragenden Essen verlief entspannt, wenn es auch für mich ein wenig anstrengend war, die ganze Zeit meinen unzureichenden Wortschatz zu bemühen. Callot gab sich zwar Mühe, seine Deutsch- und Englischkenntnisse anzubringen, aber sie waren etwa auf meinem Französischniveau. Für gesellschaftliche Zwecke reichte das alles ja, aber die geschäftlichen Verhandlungen, die am nächsten Tag anstanden, musste Wulf wohl führen, der beinahe fließend die Sprache beherrschte.
    Das sagte ich ihm, als wir bei einem letzten Glas Rotwein spät in der Nacht beisammen saßen.
    »Gut, das ist mir recht. Dann werde ich die bekannten Problempunktedarstellen, und wenn es kritisch wird, kann ich mich mit dir immer mal wieder in Deutsch beraten. Das gibt uns gute Möglichkeiten, die Sache zu steuern.«
    »Fein. So, dann werde ich mal zu Bett gehen, es war ein langer Tag.«
    Wulf stand mit mir auf und ging schweigend neben mir die Treppe zu den Zimmern hoch. Seine Hand lag wie zufällig auf meiner Schulter, als ich den Schlüssel in das Schloss steckte.
    »Ganz alleine, Lindis?«
    »Was?«
    »Zu Bett?«
    Es war der Wein, es war die Müdigkeit, es war die späte Stunde, es war die weiche Luft, irgendetwas war es. Ich ließ ihn mit eintreten, ich ließ mir auch gefallen, dass er mich an sich zog und leidenschaftlich küsste.
    Es musste wohl so kommen, dachte ich später, als er neben mir schlief, den größten Teil der Decke um sich geschlungen, den meisten Raum im Bett einnehmend. Ich hingegen konnte nicht schlafen. Ich stand auf, zog meinen Morgenmantel fest um mich und sah aus der Balkontür. Der Blick ging nach hinten hinaus über das Land. Keine Straßenbeleuchtung, keine erleuchteten Fenster, keine bunt flimmernden Reklamen, nur Dunkelheit und Sterne waren zu sehen. Ich öffnete leise die Tür und trat auf den schmalen Vorbau, den eine schmiedeeiserne Brüstung begrenzte. Still war die Nacht in der Bretagne, nur das leise, ferne Rauschen des Meeres war zu hören und das Zirpen irgendwelcher Insekten auf Partnersuche. Ich atmete tief ein. Verflogen war die Wirkung des Weines, verflogen auch der kurze Rausch der Leidenschaft. Ich fühlte mich leer, ernüchtert, mir selbst fremd. Was tat ich eigentlich hier? Wieder überwältigte mich dieses unwirkliche Gefühl, ein Stückchen neben mir zu stehen, nicht weit genug, um mich selbst von außen zu betrachten. Nicht unbeteiligt und mit fremden Augen.Das hätte mir vielleicht geholfen. Nein, ich war nur ein kleines bisschen ver-rückt. Als passe ein Teil von mir nicht mehr zum anderen.
    Ich schüttelte mich, um wieder klar denken zu können. Verdammt, was war nur los mit mir? Lag es an Wulf? Gut, er war ein geübter Liebhaber, nicht schlecht für eine kurze Begegnung in der Nacht. Wir wussten beide, dass da nicht mehr war. Oder? Wollte ich mehr von ihm? Wir verstanden uns grundsätzlich gut genug, um auch eine längere Beziehung ohne Langeweile aufrechtzuerhalten, das war sicher nicht das Problem. Wahrscheinlich wurde ich allmählich schrullig und konnte mir ein Zusammenleben mit einem Mann nicht mehr vorstellen. Vor allem war ich inzwischen so sehr daran gewöhnt, meinen Alltag nach meinen Vorstellungen zu gestalten, dass da ein Mann keinen Platz drin fand. Mein Leben war geordnet, säuberlich in Vorgängen, Abhängigkeiten und Meilensteinen verplant wie ein ordentlicher Netzplan. Überschaubar und berechenbar, so wie es sein sollte. Zusätzliche Knoten, offene Enden, komplizierte Verknüpfungen wollte ich nicht darin haben. Also würde Wulf ein abgeschlossener Vorgang mit bekanntem Anfang und definiertem Ende sein. Wenn auch, ich musste leise für mich lächeln, mit ein wenig Zeitreserve.
    »Willst du aus dem Fenster springen? So furchtbar war es doch nicht?«
    Vor Schreck wäre ich allerdings fast gesprungen.
    »Ich habe dich nicht gehört. Habe ich dich geweckt?«
    »Nein. Warum bist du

Weitere Kostenlose Bücher