Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
Schrei verriet, dass es sich bei dem Wesen in Schwarz um eine Frau gehandelt hatte.
Der Pilot drehte sich voller Panik immer wieder in Kerus Richtung, doch er brauchte beide Hände, um die Barke auf Kurs zu halten. Keru packte auch ihn und schleuderte ihn von dem Fahrzeug, dann griff er nach dem Steuerrad und zog die Barke in die Luft. Die Schwebeaggregate hatten nicht die Flugeigenschaften eines Drachenschiffs, aber sie reichten aus, ungefähr auf die Höhe der Außentür der Korona zu kommen.
Xeah ließ das Schiff einige Meter sinken, bis die Landekufen über den Schnee schliffen. Hinter ihnen wurde die Dragulia kleiner und kleiner.
Miko und Nelen standen an der offenen Tür bereit und hielten sich an deren Rahmen fest, um nicht vom Fahrtwind mitgerissen zu werden.
Er hat es geschafft! Nelen erlaubte sich, aufzuatmen. Den Geistern sei Dank! Sie sah zu, wie Keru das Steuer der Barke verkeilte, sodass sie stur geradeaus flog und dann zur Bank im hinteren Teil des Fahrzeugs marschierte, um Endriel und Kai zu holen. Sie hatten keinen Zeit für eine Zwischenlandung.
Der Skria nahm zuerst Endriel und warf sie sich über die Schulter. Er balancierte auf dem Rand der Barke und streckte den Arm aus. »Näher!«, brüllte er und Xeah manövrierte das Schiff einen halben Meter dichter an die Barke heran. Keru bekam eines der Steigeisen am Bauch der Korona zu fassen und zog sich Stück für Stück zur Tür im Mitteldeck hoch. Er reichte die bewusstlose Endriel ins Schiff und Miko zog sie sofort von der Tür weg. Nur Sekunden später tauchte Keru mit Kai über seiner Schulter auf. Er ließ den Menschen zu Boden gleiten, schloss die Tür hinter sich und sperrte den heulenden Wind aus.
Nelen flatterte über Endriel und Kai. »Sind sie ...?«
»Nein.« Keru schüttelte seine Mähne. »Sie wollten sie lebend.«
Erleichtert stieß Nelen die aufgestaute Luft aus. Miko wischte sich die schweißbedeckte Stirn. »Puh, und ich dachte schon ...!«
Schnaufend ließ sich Keru auf dem Boden nieder. Seine Hand tastete nach der Wunde an seinem Arm. Sie blutete nicht: Der Strahl aus dem Sonnenauge hatte die Stoffbinde, die er dort trug, zerschnitten und Fell, Stoff und Haut zu einer schwarzroten Narbe zusammengeschweißt.
»Tut es sehr weh?«, fragte Nelen vorsichtig.
Die Antwort des Skria bestand aus einem Knurren, das eine Sekunde darauf von einer dröhnenden Explosion übertönt wurde. Miko und Nelen zuckten zusammen.
Keru richtete seine Ohren auf. »Das war ihre Barke.« Er sah Miko an. »Sag Xeah, wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden. Richtung Norden. Ich vermute, südlich von hier wird überall nach uns gesucht.«
»S-Sofort!« Der Junge rannte hastig die Treppe hinauf.
Nelen war neben der regungslosen Endriel gelandet. Sie berührte ihre Wange und erschrak vor ihrer Kälte. »Was ist mit ihr und Kai?«
Keru richtete sich zu voller Größe auf. »Ich bringe sie in ihre Quartiere. Sie scheinen keine ernsten Verletzungen zu haben. Wir müssen warten, bis sie wieder aufwachen.«
Nelen flatterte auf die Höhe seines Auges und sah die Reflektion ihres eigenen, zutiefst verwirrten Gesichtes in dessen Rubinröte. »Wer waren die Kerle in Schwarz?«
»Anfänger«, brummte Keru. Er kniete sich hin, nahm Endriel in seine Arme und wandte sich zum Quartier des Kapitäns.
Nelen umschwirrte hysterisch sein Löwenhaupt. »Was meinst du damit? Was hatten sie mit ihnen vor? Wer sind diese Leute?«
»Im Augenblick unser geringstes Problem. Aber das wird sich bald ändern.«
Nachdem Keru Kai und Endriel in Sicherheit gebracht hatte, kehrte er auf die Brücke zurück.
Xeah hatte die Korona mittlerweile wieder in den Himmel gebracht. Bei vollem Schub hatte das kleine Drachenschiff die Stadt Kirall weiträumig umflogen und wieder Kurs in nördliche Richtung gesetzt.
»Bist du verletzt?«, fragte Xeah besorgt.
»Ein Kratzer.« Er hatte ein schwarzes Tuch um die Wunde an seinem Arm geschlungen. Erschöpft ließ er sich auf dem Diwan links von der Draxyll nieder. Miko saß dem Skria gegenüber und Nelen flatterte nervös über seinem Kopf. »Was sollen wir jetzt machen?«, fragte sie verzweifelt. »Kai und Endriel sind bewusstlos, und die Dragulia ist ganz in der Nähe!«
Die Dragulia , dachte Keru. Das Flaggschiff hatte sich während der gesamten Jagd nicht gerührt, obwohl sie sich direkt vor den Augen der Weißmäntel abgespielt hatte. Sie hätten reagieren müssen und er glaubte zu wissen, warum sie es nicht getan
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