Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
sollen. Es ist meine Schuld.«
»Nein! Ich bin schuld!«
»Seid ihr jetzt fertig?«, schnaubte Keru.
Endriel ignorierte ihn nach wie vor. »Soll das heißen, du verzeihst mir?«
Kai lächelte. »Ich schätze schon.«
Sie strahlte vor Glück, während sie sich die Tränen abwischte. Dann fiel ihr der rote Fleck auf seinem Armverband auf. »Deine Wunde!« Sie stand auf. In einer kleinen Kommode fand sie Stoffbinden und eine Schere.
»Verflucht!«, fauchte Keru. »Würdest du mir jetzt endlich erklären, was mit dir los ist?«
Endriel hielt inne. Wie sollte sie ihm das begreiflich machen? Er musste es mit eigenen Augen sehen! »Kannst du es ihm auch zeigen?«, fragte sie Kai, während sie seinen Verband wechselte.
Er schüttelte den Kopf. »Die Energie ist fürs Erste verbraucht. Es dauert ein paar Tage, bis sie sich wieder regeneriert hat.«
Endriel unterdrückte einen Fluch. Über die Schulter blickte sie zu Keru. »Es ist alles wahr. Ich habe eine Aufzeichnung gesehen!«
»Eine Aufzeichnung wovon?« Er verschränkte die mächtigen Arme.
»Von seinem Mentor, dem Saphirstern. – Keru, vertraust du mir?«
»Nein!«
Von seiner schonungslosen Ehrlichkeit getroffen verstummte sie.
»Was hast du gesehen?«, wiederholte er mit einem kalten Blick ins Kais Richtung.
Sie erzählte es ihm in knappen, aber klaren Worten. Am Ende war Keru noch misstrauischer als vorher.
»Es ist die Wahrheit, Keru!« Sie hielt seinem Blick stand und merkte bald, dass er sich mittlerweile nicht mehr so sicher zu sein schien.
»Was sollen wir deiner Meinung nach tun?«, knurrte er schließlich.
Endriel erhob sich. »Wir werden die anderen über alles informieren. Sie müssen wissen, auf was sie sich eingelassen haben.«
Nelen machte sich allmählich Sorgen. Endriel und Keru waren schon über eine halbe Stunde in Kais Zimmer. Nichts rührte sich und die Türen waren zu dick, als dass sie etwas hätte hören können. Es konnte doch nicht so lange dauern, ihm ein Geständnis abzuringen – oder?
Sie warteten in einem Wintergarten, der auf dem selben Korridor lag wie Kais Krankenzimmer. Töpfe mit Farnen und kleinen Palmen reihten sich dicht an dicht vor einer hohen Fensterwand.
Xeah hatte sich auf einem Sitzkissen aus rotem Samt niedergelassen und hielt die Augen geschlossen. Miko stand neben ihr und blickte staunend nach draußen, zu einem fast frei schwebenden Steingarten, während Nelen gedankenversunken über seiner Schulter flatterte.
Sie war sich nicht sicher, ob sie nachempfinden konnte, was ihre Freundin jetzt durchmachte. Sicher war, Endriel hatte sich in Kai verliebt. Nach dem Tod von Endriels Vater hatte er geholfen, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Wenn er sich nun als einer von den Bösen entpuppte, konnte Endriel das verkraften?
Endlich ging die Tür auf. Nelens Herz beschleunigte seinen Schlag. Der Moment der Wahrheit naht!
Zuerst traten nur Endriel und Keru ein. Sie sahen sehr ernst aus. Wo war Kai? Nelen atmete erleichtert aus, als der Mensch den beiden folgte, offensichtlich noch unter den Lebenden weilend. Sie deutete das als gutes Omen. Sie versuchte, Blickkontakt mit Endriel aufzunehmen, aber die schloss gerade die Tür. Miko sah zu Nelen auf, Xeah hob neugierig den Kopf. Aber niemand sagte etwas.
Endriel spürte deutlich die tausend Fragen, die den anderen auf den Zungen brannten. Vielleicht sollten sie dieses Gespräch lieber vertagen, bis sie wieder auf der Korona waren. Aber dann entschied sie sich, den stillen Wänden des Klosters zu vertrauen. »Keru und ich haben uns mit Kai unterhalten. Ich bin davon überzeugt, dass er die Wahrheit gesagt hat.« Sie bemerkte Nelens skeptischen Blick, ignorierte ihn aber. »Allerdings ist da etwas, das ihr wissen solltet. Kai?«
Sie ließ ihn vortreten. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Keru sich vor die Tür stellte und die Arme verschränkte. Niemand würde an ihm vorbeikommen.
»Miko, Nelen, Xeah«, sagte Kai, »es gibt einige Dinge, die ich euch verschwiegen habe. Aber ich hatte Gründe dafür.« Und dann begann er seine Geschichte erneut. Endriel ertappte sich dabei, wie sie an seinen Lippen hing.
Er erzählte, wie er in Siradad als Sohn zweier Archäologen der städtischen Universität aufgewachsen war und wie seine Eltern ihre Faszination für das Strahlende Zeitalter an ihn weitergegeben hatten. Bei einem Piratenangriff auf die Stadt waren beide ums Leben gekommen. Er war siebzehn – der Schmerz hatte ihn fast um den Verstand gebracht.
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