Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
auf das Schiff zurückgekehrt war, hat ein Bote einen Brief für Sie abgegeben. Ich habe ihn in Ihr Büro gelegt.«
Telios zog eine Augenbraue hoch. »Ein Brief? Von wem?«
»Der Absender war Yanek Naguun.«
Yanek! Telios lächelte. Endlich! Nach so langer Zeit wieder ein Lebenszeichen!
Zehn Minuten später hatte der Admiral die Ansprache an seine Mannschaft beendet.
Telios hatte den Befehl gegeben, die öffentlichen Nexusportale sowie die Zugänge zum Ringhafen zu überwachen, auch wenn es durch den Basar schwer werden würde. Er autorisierte seine Leute, jedes Drachenschiff, das an der Schwebenden Stadt anlegte, zu kontrollieren. »Und wir wollen ihn lebend«, betonte er.
Ein junger Leutnant meldete sich mit einer Frage, die Telios erwartet hatte. »Aber warum lässt ihn der Gouverneur suchen? Was hat er getan?«
»Diese Information ist zunächst noch geheim. Wichtig ist allein, dass er gefunden wird. Sonst noch Fragen?«
Nein. Seine Leute hatten verstanden und strömten sofort in Dreiergruppen auf die Straßen der Schwebenden Stadt. Auch wenn Telios wusste, dass sie jeden Quadratzentimeter von Teriam absuchen würden, war ihm genauso klar, dass eine Metropole wie diese unendliche Möglichkeiten bereithielt, sich zu verstecken. Ganz besonders für eine einzelne Person.
Wenn es tatsächlich nur eine einzelne Person ist , sagte er sich, auf dem Weg zu seinem Quartier. Sollte der Kult dahinterstecken, können wir damit rechnen, dass dieser Kerl hunderte, vielleicht sogar tausende Verbündete hat.
Viel beunruhigender war allerdings, dass all seine Informationen nur auf einem Traum des Gouverneurs beruhten.
Syl Ra Vans flüsternde, substanzlose Stimme hallte in Tellios’ Gedanken wider: »Wir träumten von der Vernichtung. Einer Störung des Gleichgewichts. Eine Bedrohung zieht auf am Horizont der Zeit. Eine Bedrohung für ganz Kenlyn.«
Wer bist du, Junge? , dachte Telios. Und was hast du getan – oder wirst du tun?
Als er sein Büro betrat, knöpfte er die Uniformjacke auf, löste den Gürtel von seiner Hüfte und streifte den Umhang ab, den er zusammen mit dem Sakedo auf den roten Diwan schräg gegenüber der Tür legte.
Auf seinem Schreibtisch lagen seine messinggefassten Schreibutensilien, ein kugelförmiger Briefbeschwerer aus Onyx, ein paar Akten – und ein blassgelber Umschlag mit seinem Namen darauf.
Aufgeregt öffnete Telios den Brief. Er setzte sich auf den Diwan und begann zu lesen.
Als er eine Viertelstunde später das Papier sinken ließ, trauerte Andar Telios um einen Freund.
5. Zurück nach Hause
»Manche Ketten halten ewig.«
– unbekannt
Endriel schwieg. Sie schwieg, als Keru sie und Nelen quer über den fast verlassenen Nexus-Boulevard führte. Sie schwieg auch, als sie durch das Portal nach Olvan traten, die Stadt ihrer Geburt. Und sie schwieg noch, als Keru eine Landbarke anheuerte, die sie zum Hof ihrer Familie einige Kilometer außerhalb der Stadt flog.
Wie kann es sein, dass du tot bist, Yanek?, dachte sie. Und was für eine Heuchlerin bin ich, dass ich über deinen Tod trauere?
Olvan lag zweieinhalb Zeitzonen westlich vom Kleinen Meer und Teriam. Hier war die Sonne noch nicht untergegangen und so durften Endriel, Nelen und Keru noch einmal miterleben, wie der runde Feuerball ein phantastisches Farbenspiel am Horizont entfachte und die ersten Sterne am dunkler werdenden Himmel aufgingen. Zum zweiten Mal an diesem Tag, sah Endriel den Saphirstern leuchten. Doch heute hatte er ihr kein Glück gebracht.
Die strahlende Stadt mit ihren zahlreichen Türmen und Kuppeln lag weit hinter ihnen und die Landbarke – ein schnittiges kleines Fahrzeug, das tatsächlich an ein offenes Boot aus Metall erinnerte – glitt zischend über Maisfelder, Olivenhaine, Grasmeere und ungepflasterte Straßen hinweg. Der Pilot war ein grauhaariger Mensch, dessen Schutzbrille seine Augen verbarg. Er stellte keine Fragen und machte keinen Versuch, mit seinen Fahrgästen zu plaudern. Endriel war dankbar dafür.
Fahrtwind zerrte an ihren Haaren. Sie ignorierte das urwüchsige Land genauso wie die zirpenden Grillen, und sah hinauf zu den Sternen, die den samtblauen Himmel verzauberten.
Sie dachte an ihren letzten Streit mit Yanek. Fast genau drei Jahre war das jetzt her. Ihr achtzehnter Geburtstag hatte nur wenige Tage zurückgelegen und eines Nachts hatte sie den Entschluss gefasst, dass es Zeit war zu gehen. Zeit, ihren Vater und die Zukunft, die er für sie geplant hatte, hinter sich zu lassen und
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