Die Ketzerbibel
und hat den Arm behalten.»
«Das war Gottes Wille.»
«Du liebst Magdalène.»
«Ja.»
«Und solltest du Laura nicht ebenso lieben? Willst du ihr nicht helfen?»
«Wer sagt denn, dass ich es kann?», rief Danielle heftig. «Ist nicht der beste Medicus der Stadt bei ihr, ein Mann, der Grafen und vornehme Leute behandelt für viel Geld? Er ist berühmt, reich, anerkannt – eine Autorität!»
«Aber diese Männer, diese Ärzte verstehen nichts vom weiblichen Körper, Danielle, ist es nicht so?»
Sie lachte grimmig.
«Meist ist es so. Sie kennen nur die Genitalien und den Uterus von Schweinen und meinen, das genüge schon. Es handelt sich ja nur um Weiber.»
Juliana hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. «Wenn du das weißt, wie kannst du hier so ruhig sitzen, während die kleine Laura leidet? Soll sie etwa für deinen verletzten Stolz büßen? Kann sie etwas dafür, dass man dir ein Unrecht angetan hat? Ich appelliere an deine Pflicht als Ärztin, an dein Gewissen, an deinen Glauben an Gott und die Fähigkeit, die er dir geschenkt hat! Hilf ihr, versuche es wenigstens!»
«Und weißt du auch, was geschieht, wenn sie mir unter den Händen stirbt? Man hat mir unter Androhung der Todesstrafe verboten, je wieder zu praktizieren! Und selbst wenn mir mein eigenes Leben unwichtig wäre – was es ist –, denke darüber nach, was es für dieses Haus bedeuten würde! Man würde diesen Konvent der freien Frauen schließen, euch in alle Winde zerstreuen, als Mägde adliger Klosterfrauen oder prügelnder Ehemänner unterbringen gegen euren Willen, oder bei Familien, die nichts von euch wissen wollen! Das wäre das Ende von Sainte Douceline!»
Juliana nickte.
«Das will ich riskieren. Und ich bin sicher, alle anderen Schwestern auch.»
Danielle stand da mit hängenden Armen und geballten Fäusten. Ärger, Trotz, Trauer und Angst wechselten sich auf ihrem Gesicht ab.
«Quacksalberin! Kurpfuscherin! Verbrecherin! Wer weiß, wie du dir dieses angebliche Zeugnis, diese sogenannte Lizenz verschafft hast! In Neapel mag so etwas angehen. Aber wir sind in Paris. Hier herrscht Ordnung!»
«Ich habe niemandem geschadet und vielen geholfen. Fragt meine Patienten!»
«Da ist eine Patientin von dir.»
Sie zerrten sie vor den Richterstuhl, eine Frau in mittleren Jahren, die einmal hübsch gewesen sein mochte. Jetzt war sie bleich und gekrümmt vor Angst und Schmerzen.
«Die da hat mich zu der Abtreibung überredet. Ich wollte es nicht, aber die da hat gesagt: Mach es doch weg. Es ist ganz einfach! Eingeredet hat sie es mir. Fünf Goldstücke hat sie mir dafür abgenommen!»
«Sie lügt. Ich habe ihr den Eingriff verweigert und auch davon abgeraten. Ich habe den Eid des Hippokrates geschworen, der es Ärzten ausdrücklich untersagt, die Leibesfrucht einer Frau abzutöten. Diese Frau lügt. Fragt sie, wer sie dazu angestiftet hat.»
«Das haben wir schon getan. Und noch dazu haben wir Aussagen von diesen guten Doctores dort, dass es eine Stümperei war, was du gemacht hast. Du wirst nie wieder einem Menschen schaden. Dafür werden wir sorgen. Deine sogenannte Lizenz wird eingezogen, ebenso dein Vermögen. Wenn du dich noch einmal erwischen lässt, dass du dich als Ärztin, Hebamme oder Baderin betätigst, dann wird dir die rechte Hand abgeschlagen.»
«Also gut», sagte sie schließlich. «Die Heilige Jungfrau stehe mir bei! Aber das bitte ich mir aus: Ihr müsst darüber schweigen. Und es muss das einzige Mal bleiben. Danach will ich für immer Danielle bleiben dürfen, eine einfache Begine und Gärtnerin.»
«Wie du wünschst», antwortete Juliana. «Anne, wecke Jeanne. Sie soll Danielle begleiten.»
Danielle ging ins Hospital und suchte mit sicherer Hand Instrumente und Kräuter zusammen. Jeanne, noch etwas verschlafen, kam herein.
«Ich brauche ein Pflaster von Artemisia, um es ihr auf den Bauch zu legen. Außerdem einen Trank aus drei DrachmenKaneelblüten, zerstoßen, eine Unze Bohnenkraut, eine Unze Ysop und den Saft von Zitronenmelisse. Ich habe alles gefunden bis auf den Melissensaft. Hast du welchen?»
Jeanne stand wie versteinert da und starrte sie an: «Das stand in dem Buch! Wie kannst du das wissen?»
«Was für ein Buch?»
Jeanne zog es aus ihrem Umhang und hielt es Danielle hin: «Hier, das ist ein wunderbares Kompendium der Frauenheilkunde, vor drei Tagen erst habe ich es bekommen …»
Danielle lachte bitter auf. «Ich habe es selbst geschrieben. Und ich bin dafür angefeindet und angezeigt
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