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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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ruhig. «Deshalb möchte ich, dass ihr beide, Magdalène und Danielle, in aller Stille zu ihnen geht und ihre Geschichte anhört.»
    «Ich will auch mit!», sagte Anne.
    «Nein, das würde auffallen. Du gehst sonst nie zur Armenpflege. Magdalène geht oft, und die Armen kennen und mögen sie. Und Danielle ist zuverlässig und verschwiegen. Im Übrigen ist sie auch in der Lage, sich und ihre Schwestern zu verteidigen, sollte es nötig werden. Also: Ihr beide lasst euch Sachen zum Verschenken aus der Kleiderkammer geben, auch angemessene Kleidung für unsere Schwestern da draußen, die sie nach der Flucht sicher gebrauchen können. Nehmt Brot und Korn mit, so wie wir es immer handhaben.»
    «Ist unser Hausarrest damit beendet?», fragte Magdalène.
    «Nein, keineswegs. Ich gebe euch nur für diesen Gang Dispens. Sorgt dafür, dass ich es nicht bereue!»
    Magdalène und Danielle ließen sich von Annik zwei Buckelkörbe mit Gütern beladen, mit Korn, getrockneten Linsen und Brot sowie mit alten Kleidern, die von Bürgern für die Armen gespendet worden waren.
    «Wo gehst du hin, Danielle?», rief Garsende über den Hof. «Kann ich mitkommen?» Sie fühlte sich fremd und einsam unter den Schwestern und hatte sich Danielle sehr angeschlossen.
    «Nein, die Meisterin hat nur uns beide bestimmt. Aber ich komme ja bald zurück. Hebe du mir nur ein paar schöne bunte Enden Wolle auf, ja?» Danielle winkte Garsende zu. Ein wenig verloren blieb sie vor der Weberei stehen.
    Die Porte Murette war eines der kleineren Stadttore, die hauptsächlich von Viehtreibern benutzt wurden. Als sie dort ankamen, gab es gerade einen Stau, weil ein Ochsenkarren sich mit dem Rad am Tor verfangen hatte.
    Erst als die Stadtwachen sich bequemten und dem Bauern halfen, den Karren anzuheben und frei zu machen, ging es weiter.
    In einiger Entfernung vom Tor hatten ein paar Bettler und andere arme Leute elende, winzige Hütten gebaut, meist Verschläge aus Brettern, die notdürftig zusammengezimmert gegen die Stadtmauer lehnten. Der Magistrat ließ die Leute in regelmäßigen Abständen vertreiben und die Hütten niederreißen, doch die armen Menschen kamen immer wieder. Die Verschläge waren rasch wiederaufgebaut, denn hier konnte man immer mit Spenden der Städter rechnen. Hin und wieder bekam man einmal eine Arbeit und einen Verdienst für ein paar Stunden oder Tage.
    Kaum erblickten sie die Schwestern, da kamen auch schon Kinder aus den Hütten gelaufen, rotznasige, schmutzstarrende, magere Geschöpfe, die es doch fertigbrachten, zu lachen und diesem Leben etwas abzugewinnen. Johlend umringten sie die
sorores.
«Magdalène, du Hübsche! Danielle, du Gute!», schmeichelten sie. «Hast du was zu essen für uns? Hast du was Süßes?» Magdalène verteilte Nüsse und getrocknete Früchte an sie und ein paar zerbrochene Plätzchen, die Annik beiseitegelegt hatte. Hütte für Hütte besuchten sie und verteilten ihre Gaben.
    Schließlich kamen sie zu einem Verschlag, der noch hastiger errichtet schien als der Rest dieser Behausungen. Vor dem Eingang hing ein Ziegenfell. Danielle kratzte daran: «Hallo?», rief sie. «Jemand zu Hause?»
    Sie zog das Fell ein wenig beiseite und spähte in das Dunkel dahinter. Drei verängstigte Frauengesichter blickten ihr entgegen. Eine vierte Frau lag ausgestreckt auf einem Häufchen Zweige und trockenem Gras. «Seid ihr Seelschwestern?», fragten sie.
    «Ja», antwortete Danielle. «Wir sind Beginen aus Pertuis, vom Konvent Sainte Douceline.»
    «Jesus sei Dank! Kommt herein.»
    Magdalène und Danielle traten in den Verschlag. Es war eng und stickig und furchtbar heiß darin. Sie setzten ihre Buckelkörbe am Eingang ab und hockten sich zu den anderen Frauen auf den Boden. Diejenige, die auf dem Boden lag, richtete sich stöhnend auf.
    «Unsere Meisterin schickt uns, um nachzusehen, wie wir euch helfen können. Braucht ihr etwas zu essen? Kleidung? Medizin?»
    «Alles», antworteten sie. «Wir mussten fliehen ohne einen Sou und ohne ein Stück Brot. Und unsere Schwester hier ist alt und völlig erschöpft.»
    Die beiden Beginen packten aus, was sie an guten und kräftigenden Speisen mitgenommen hatten: eingelegte Oliven in Öl, Ziegenkäse, Mispeln und Wein. Die fremden Schwestern fielen aber nicht einfach darüber her, obwohl sie ausgezehrt wirkten, sondern legten die Speisen ordentlich auf ein Tuch und sprachen ein Dankgebet, ehe sie aßen.
    «Was ist geschehen?», fragte Magdalène, als sie sich gestärkt hatten. Sie

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