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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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Und was am rechten Rhône-Ufer vor sich geht, hat wenig Bedeutung auf unserer Seite», überlegte Magdalène. Aber Maria winkte ab: «Das glaubst du vielleicht! Die Augen der Inquisition sind überall! Papst Clemens hat längst damit begonnen, ein Netz von Spionen und Folterknechten über das ganze Land zu verteilen. Es sind nicht nur einzelne, mit Vollmachten ausgestattete Mönche! Nein, ich sage euch: Sie sind überall schon fest installiert. Es ist eine Institution,mächtiger als die Fürsten, mächtiger als alle weltlichen Gerichte! Hast du das Ende der Templer vergessen? Das waren mächtige Herren, bewaffnet, mit Burgen im ganzen Land. Wenn selbst sie der Inquisition nicht widerstehen konnten, wie sollten es dann ein paar arme Weiber vermögen?»
    «Aber was wollt ihr denn nun anfangen?»
    «Wir drei, wir sind noch jung und kräftig», Barbara zeigte auf sich, Maria und eine dritte, sehr junge Frau, die still an der Mauer lehnte, fast noch ein Kind. «Wir werden als Bettelbeginen gehen.»
    «Ja», sagte Maria, «Das ist dem Herrn wohlgefällig. Vielleicht sind wir bestraft worden, weil wir immer noch zu wenig vertraut haben, weil wir immer noch Besitz hatten und gefüllte Speicher. Gebt nur acht, dass es euch nicht genauso ergeht. Wir haben schon gehört, was für ein gutgehendes Geschäft ihr hier betreibt und wie ihr euch mit Handwerk und dem Erwirtschaften von Gewinn beschäftigt!»
    «Maria!», mahnte Barbara, und zu Magdalène und Danielle: «Wir wollen euch nicht tadeln. In völliger Armut zu leben ist nicht jedermanns Sache. Und jemand muss ja auch die Armen versorgen. Habt nur acht, dass ihr keinen Neid auf euch zieht!»
    «Wir jedenfalls wollen uns von nun an dem Herrn ganz ergeben, so wie Jesus es befohlen hat. Er hat nicht gesagt: Petrus, pack deine Netze auf einen Karren und lade viel Vorräte und Kleidung zum Wechseln ein, sondern er hat gesagt: Lass alles liegen und komm. Wir folgen ihm nach, und er wird für uns sorgen.»
    Mit besorgtem Blick sah Maria auf die ältere Schwester hinunter, die auf dem Boden lag, und fuhr fort: «Aber unsere liebe Schwester Auda hier, die kann nicht mehr weiter. Wenn ihr das Risiko auf euch nehmen wollt und sie bei euch gesund pflegt, dann wäre es eine große Hilfe und Erleichterungfür uns. Sie kann euch nicht zur Gefahr werden, da sie ein wenig simpel ist und sich an unseren religiösen Diskussionen nie beteiligt hat.» Sie beugte sich zu der älteren Frau hinunter. «Nicht wahr, Auda. Du nimmst es uns nicht krumm, wenn wir dich hierlassen?»
    «Ohne mich kommt ihr besser voran», krächzte Auda.
    «Selbstverständlich. Wir nehmen sie gleich mit», sagte Magdalène.
    Sie kleideten Auda wie eine Bäuerin. Alles, was sie noch an Lebensmitteln und Kleidung hatten, ließen sie den Toulouser Schwestern. Sie halfen Auda auf die Beine, die sich unter Tränen von ihren Gefährtinnen verabschiedete.
    «Jesus segne dich!»
    «Und der Herr Jesus schütze euch», sagten sie, in der Art, an der alle Beginen sich untereinander zu erkennen gaben.
    Danielle und Magdalène nahmen die alte Schwester zwischen sich und geleiteten sie in die Stadt. Auf halbem Wege riss das Fersenband an Danielles linker Sandale.
    «Ach, verflixt! Jetzt ist sie endgültig hin!»
    «Hattest du nicht auf dem Johannismarkt ein Paar neue bestellt?», erinnerte sich Magdalène.
    «Ja, richtig. Aber der Schuhmacher hat sie nie geliefert. Ich glaube, ich habe vergessen, ihm eine Anzahlung zu geben. Sicher hat er gedacht, ich könne sie nicht bezahlen. Deshalb hat er sich wohl gar nicht erst die Mühe gemacht, welche für mich zu fertigen.»
    «Hm – so wird es wohl sein», meinte Magdalène. Das Ende vom Lied war, dass sich Danielle ein Paar andere gebrauchte aus der Kleiderkammer holte.

9.
    Wellen über Wellen von Ockertönen von hellstem Lehmgelb, lichtem Ocker, grünlichem Ocker, rosigem Fleischocker, Neapelgelb, Zimt- und Zinnoberrot bis zu gebrannter Erde breiteten sich vor ihm aus. Salpeter, Kalk und Flechten bildeten unregelmäßige Muster in Weiß und Grau. Die Schatten unter den zwei- und dreifach geziegelten Dachkanten schimmerten in einem ungewissen Blauviolett. Schwalben und Tauben waren die Bürger dieser Oberstadt, wie Calixtus die Dächer von Pertuis für sich getauft hatte, Eidechsen, Hornissen und Wespen. Dicht an dicht schlossen sich die Dächer aneinander. Nur die Türme der beiden Kirchen ragten heraus, die Wehrtürme und das Schloss. Die Gassen bildeten Schluchten, die sich von seinem

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