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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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musste sich alle Augenblick den Schweiß mit ihrem Ärmel von der Stirne trocknen, so heiß war es in der Hütte.
    «Was geschehen ist? Im Languedoc macht man Jagd auf Beginen und Begarden!», erzählte eine, die sich Maria nannte, und fragte: «Könnt ihr denn hier noch in Frieden leben? Habt ihr die Feindschaft von diesem Strauchritter noch nicht zu spüren bekommen, der sich jetzt Papst nennt?»
    «In der Provence haben wir keine Schwierigkeiten», sagte Magdalène.
    Maria zuckte die Schultern und entgegnete: «Ich wünsche euch, dass es so bleibt! Der Bischof von Toulouse hat die Inquisition auf uns gehetzt, weil wir französische Bibeln hatten. Waldenser Brüder hatten sie uns geschenkt. Wir haben Sterbenden daraus vorgelesen, um sie zu trösten. Daraufhin hat man uns vorgeworfen, Irrlehren zu verbreiten. Ja, es genügte schon, dass wir ärmliche und gleichaussehende Kleidung trugen, da hat man die Hunde des Herrn auf uns losgelassen. Sie wollen nicht, dass das Volk die Worte des Herrn selber lesen kann! Es könnte ja entdecken, wie weit sie vom Weg abgewichen sind. Uns nennen sie Ketzer, dabei sind doch sie es, die mit ihrer Fettlebe Jesus verhöhnen.»
    Maria fuhr sich mit der Hand über die Augen. «Sie haben alle möglichen Leute aus der Gegend entweder eingeschüchtert oder bestochen. Und obwohl wir ihnen so oft Gutes getan haben, haben sie uns verraten.»
    «Man muss das verstehen», sagte eine andere, die sich Schwester Barbara nannte. «Es ist noch nicht so lange her, dass sie die Katharer zu Tausenden auf die Scheiterhaufen geführt haben! Immer noch stehen bei uns viele Dörfer leer und wüst. Die Ruinen gelten als verflucht. Und die Leute haben Angst. Jedermann rennt in die Kirche und hüpft, wenn der Pfaffe pfeift, um auch nur ja als Papstgetreuer zu gelten. Sie haben genug von dem Morden! Aus Angst sagen sie dann einfach ja zu allem, was man sie fragt.»
    «Sie haben sich dennoch gegen uns versündigt!», sagte wieder Maria. «Ich vergebe denen, die gegen uns Zeugnis abgelegt haben. Es sind arme, einfache Leute. Aber Gottes Gericht soll über die kommen, die unsere Schwestern verhört und gefoltert haben! Einige von uns haben dem Druck nachgegeben und alles gestanden, was man ihnen in den Mund gelegt hat. Ihnen sind Kirchenstrafen auferlegt worden. Sie müssen das Kreuz tragen und dann als Dienstmägde in ein reguläres Kloster gehen. Oder zu ihren Familien zurückkehren, so sie welche haben! Na, die werden sie nicht gerade mit offenen Armen aufnehmen!» Maria ließ ein heiseres, gequältes Lachen hören, das mehr wie ein Husten klang.
    «Diejenigen, die sich nicht selbst gestellt haben, sind zum Verhör abgeholt worden, eine nach der anderen, und wenn sie sich geweigert haben zu schwören, hat man sie gleich als hartnäckige Ketzer behandelt und verurteilt. Sie wurden bei lebendigem Leib in unser Haus eingemauert, der Konvent geschlossen und enteignet», erzählte Barbara, und Maria fiel ihr ins Wort: «Viel war es ohnehin nicht, was wir hatten. Wir haben uns streng an die Armutsregel gehalten. Unseren einzigen wertvollen Besitz, einen guten Olivenhain, den haben sie einem Kloster zugeschlagen, in dem sie ohnehin leben wie die Fürsten, mit kostbarem Mobiliar und weichen Bettenund Fleisch essen jeden Tag! Unsere Oliven sollen ihnen im Hals stecken bleiben, und das Öl soll ihnen bitter schmecken!»
    «Maria, du darfst diesen Zorn in dir nicht zulassen! Wir sollen unsere Feinde lieben! Nur wer liebt und vergeben kann, dessen Seele wird befreit werden», mahnte Barbara.
    Maria ließ den Kopf hängen. «Aber es ist so schwer, so schwer!»
    Barbara umarmte Maria und streichelte sie. «Nur wir vier konnten fliehen», sagte sie an die Pertuiser Schwestern gewandt.
    «Was wollt ihr jetzt tun? Wie können wir euch helfen?», fragte Magdalène.
    «Zu euch können wir auf keinen Fall!», sagte Maria. «Wir würden euch in Gefahr bringen. Hast du nicht gehört, was denen geschieht, die Ketzer aufnehmen?»
    «Aber ihr seid doch unsere Schwestern im Herrn. Wir können euch nicht im Stich lassen! Wer sollte es denn melden, wenn ihr heimlich kämt, als Bäuerinnen verkleidet, und dann still und friedlich bei uns lebt? Niemand kennt euch hier. Die Inquisitoren, das sind doch nur eine Handvoll fanatischer Mönche, die können nicht überall auf einmal sein. Wie sollten sie denn herausfinden, wohin einzelne Beschuldigte geflohen sind? Es dauert Wochen und Monate, ehe man Nachrichten von einem entfernten Ort bekommt.

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