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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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verstoßen?», fragte Grégoire.
    «Nein. Das denke ich nicht und habe es nicht sagen hören.»
    «Hast du in deiner Gemeinschaft oder anderswo sagen hören, dass Mönchsorden, die Güter haben oder Korn und Wein horten, gegen Jesu Gebote verstoßen?»
    «Nein, das habe ich nicht. Wir haben ja selber einen Olivenhain, Weinstöcke und einen Kornspeicher. Wir leben bescheiden, aber nicht von der Hand in den Mund. Wie könnten wir da andere kritisieren!»
    Als weiteres Nachbohren nichts zutage förderte, wurde Anne vereidigt.
    «Hast du Kenntnis von den Schriften der Ketzerin Marguerite Porete?»
    «Ich habe davon gehört», gab sie zu. Der fremde Mönch lehnte sich aufmerksam vor.
    «Und was hältst du davon?», fragte weiter der Abbé, so wie er angewiesen worden war.
    «Es wäre sehr schwer für einen sterblichen Menschen, solche Vollkommenheit zu erreichen», erwiderte Anne.
    «Aber du hältst es für möglich», setzte Grégoire nach.
    «Ich kann nur für mich sprechen, und ich könnte es nicht», sagte Anne fest.
    «Wenn es aber eine schaffen würde, glaubst du, dass so eine vollkommene Seele es nicht mehr nötig hätte, beim Emporheben des Leibes Christi aufzustehen oder ihm sonst wie Ehrfurcht zu erweisen?»
    «Ich erweise den Sakramenten die Ehre, und ich glaube, dass ein jeder das tun sollte», wich Anne aus.
    Ein kleines herablassendes Lächeln umspielte die dünnen Lippen des Fremden. «So, glaubst du das», übernahm er die Befragung. Anne verschränkte die Finger und verkrampfte sichtlich. Dies war nicht der vertraute Priester, der zwar kein Freund der Beginen, mit dem aber dennoch zu reden war. Dieser Fremde mit den kalten Augen würde keine Argumente gelten lassen. Er war darauf aus, sie in eine Falle zu locken, und ihr Gewissen war nicht rein.
    Der Mönch betrachtete Anne lange. Sie wurde bleich und hakte ihre Finger ineinander. Er lächelte.
    «Du sagst also, dass du den ‹Spiegel› nicht selbst gelesen hast. Ist das richtig?»
    Anne getraute sich nicht, die Lüge zu wiederholen. Sie schwieg und schluckte vernehmlich. Er hatte etwas gegensie in der Hand. Fieberhaft überlegte sie, wem sie von dem Buch erzählt hatte. Wenn sie nur ihr Mundwerk besser im Zaum gehalten hätte! Sie wusste nur allzu gut, dass sie in der Begeisterung oft jegliche Vorsicht und Diskretion vergaß.
    Der Inquisitor nickte dem Abbé Grégoire zu.
    «Führt Aneta Bonelli herein!», rief der den Bütteln zu. Einer von ihnen ging nach draußen und kam mit einer kleinen, gedrungenen Frau zurück, die Anne sofort als eine der Wollweberinnen von Pertuis erkannte, Ehefrau eines Meisters der Zunft. Sie hatte sich herausgeputzt für die Gelegenheit und schaute halb ängstlich, halb stolz ob der Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde.
    Sie knickste ungeschickt, verlor ein wenig die Balance dabei und stolperte einen halben Schritt vorwärts.
    «Hat eine von den Beginen mit dir über Dinge des Glaubens gesprochen?»
    «Ja, die da!» Eifrig wies sie auf Anne. Unaufgefordert fuhr sie fort: «Sie hat versucht, mich vom rechten Weg abzubringen und hat mir schlimme Sachen gesagt!»
    «Pfui, Aneta! Dreckschleuder! So dankst du es uns also, dass wir deine kranke Schwiegermutter gepflegt haben! Das nächste Mal kannst du dich allein um sie kümmern!», schrie Annik aufgebracht.
    «Still, Weib», sagte der Mönch mit schneidender Stimme, «zu dir komme ich noch.»
    Annik verstummte eingeschüchtert, hörte aber nicht auf, Aneta mit Blicken zu durchbohren.
    «Ich tue nur meine Pflicht als gute Christin, wenn ich solche Sachen anzeige!», verteidigte sich die Wollweberin. «Es ist zu eurem eigenen Besten, auch wenn ihr es gerade anders seht!»
    «Still! Was hat die Begine Anne dir erzählt? Versuche dich genau zu erinnern», mahnte der fremde Mönch.
    «Sie   … sie hat gesagt, sie besitze ein Buch, kostbarer als die Bibel! Das ist doch eine Sünde, oder? Kein Buch kann kostbarer als die Bibel sein.»
    «Richtig. Du hast ganz recht gehandelt. Weiter!»
    «Sie hat gesagt, das Buch sei von einer weisen Frau geschrieben und dass auch Frauen erleuchtet sein können. Sie   … sie hat gesagt, in dem Buch stünde, wie man eins mit Gott werden kann ohne Priester und Kirche.»
    «Blasphemie!» Der fremde Mönch wandte sich triumphierend Anne zu:
    «Welches Buch war das, von dem du zu dieser Frau gesprochen hast?»
    Anne zögerte. Doch dann hob sie den Kopf und sagte mit fester Stimme: «Das war der ‹Spiegel der einfachen Seelen› von Marguerite

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