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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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man aber auch mit so einem kleinen Ritzer so viel Ärger haben kann!»
    Danielle spießte mit der Gabel Stroh auf und verteilte es auf dem Boden des Stalls. Renata hatte die Tiere zum Weidenvor die Stadt geführt. Es sollte alles fertig sein, wenn sie zurückkehrten.
    Magdalène setzte sich auf einen Balken und schaute Danielle bei der Arbeit zu.
    «Sag mal, wie geht es denn eigentlich voran?»
    «Wie – voran?»
    «Na, mit dem Erinnern.»
    «Hm, jaja», machte Danielle, ohne die Arbeit zu unterbrechen.
    «Man könnte den Eindruck bekommen, dass du dich gar nicht erinnern willst.»
    «Und wenn es so wäre?», fuhr Danielle auf und sagte dann freundlicher: «Komm, ich zeig dir etwas, das Carolus mir heute mitgebracht hat.»
    Sie gingen zusammen zur Bank, und da lag noch die Pomeranze.
    «Oh! So was habe ich noch nie gesehen! Die sollen ja sehr teuer sein.» Ehrfürchtig nahm Magdalène die Frucht in die rechte Hand. Sie roch daran und leckte vorsichtig an der Schale. Danielle lachte und nahm sie ihr wieder weg,
    «Nein, die kann man nicht einfach so essen. Sie ist bitter. Aber man kann ihren Saft in einen Kuchen mischen, und mit der Schale lässt sich trefflich Wein würzen. Komm, wir geben sie Annik, dann verzeiht sie dir die Sache mit den Schüsseln.»
    Zwei Tage später wurde Magdalène am Abend von einem heftigen Fieber befallen. Ihr Arm war wieder angeschwollen, diesmal auf den doppelten Umfang. Die Haut um die Wunde herum hatte sich schwärzlich verfärbt, und als Danielle den Tampon herausnahm, wirkte das Gewebe an der Oberfläche so brüchig wie mürber Teig. Danielle und Guilhelme brachten sie ins Hospital. Jeanne besah sich die Sache und bat Danielle: «Nimm Philippa mit und gehe Carolus holen,so schnell du kannst – Und sag Juliana Bescheid, wohin du gehst und dass ich dich geschickt habe!»
    Mit gesenkten Köpfen hasteten die beiden Beginen durch die Straßen. Die Tageshitze hielt sich noch in den engen Steinschluchten zwischen den Häusern und strömte aus den aufgeheizten Mauern. Die Alten saßen auf ihren Schemeln und Bänken vor den Türen und warteten darauf, dass die Kühle der Nacht von den Feldern in die Straßen kriechen würde. Gesprächsfetzen flogen von Haus zu Haus, von Fenster zu Fenster und hallten in den Gassen wider.
    «Wohin so eilig?» und «Was gibt’s?!», schallte es ihnen entgegen, aber sie gaben nur knappe Antworten und hielten sich nicht weiter auf.
    Der Medicus bewohnte mit seiner Mutter ein schönes zweistöckiges Haus im Quartier Vinoria. Die Tür war aus Nussbaum und mit Bronzenägeln verziert, Reliefsäulchen und Nischen für Statuen waren in den Sandstein der Fassade gemeißelt.
    Eine Magd öffnete die Tür: Der Herr Medicus sei zu einem Krankenbesuch außer Haus. «Kommt herein und wartet hier auf ihn. Sonst verpasst ihr euch noch, wenn er einen anderen Weg nach Hause nimmt. Er ist schon länger fort und muss bald zurückkommen.»
    Die Beginen wurden in einen kleinen Raum gebeten, und die Magd brachte ihnen einen Trunk kühles Wasser. Carolus’ Mutter nahm die Gelegenheit wahr, sich die neue Begine anzuschauen, von der ihr Sohn so viel Aufhebens machte.
    «Soso. Du bist das also. Und wie gefällt es dir bei uns?», fragte sie freundlich.
    Danielle war abgelenkt von der Sorge um Magdalène, doch sie antwortete höflich: «Es gefällt mir hier gut, danke. Pertuis ist eine hübsche Stadt, gut angelegt und in einer angenehmen Umgebung.»
    «Das will ich meinen. Wir profitieren von der guten Schwemmerde und vom Fluss und sind doch auf unserem Hügel vor ihm geschützt. Ich habe gehört, Ihr kommt aus Neapel? Das ist natürlich etwas ganz anderes! Viel größer und prächtiger», plauderte die alte Dame weiter.
    «Größer – mag sein, aber auch lauter und voller. In Neapel wimmelt es wie in einem Ameisenhaufen, und es gibt viele arme Leute. Es lebt sich gut in Pertuis.»
    ‹Sie ist eine angenehme Person und weiß sich zu benehmen›, dachte Carolus’ Mutter bei sich. ‹Ich habe sie mir ganz anders vorgestellt. Kaum zu glauben, dass sie als Bettlerin hier angekommen ist! Sie wirkt wohlerzogen und selbstbewusst.›
    Sie wechselten noch eine Weile Höflichkeiten, doch Danielle wurde unruhig.
    «Verzeiht, es dauert mir doch zu lang! Unsere Schwester ist schwerkrank und ich möchte doch lieber nicht länger warten. Wo habt Ihr gesagt, hält er sich auf?»
    «Er wurde ins Quartier Belioc gerufen, Rue Notre Dame, genau dort, wo sie einen scharfen Knick macht, wenn ihr vom

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