Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
Vom Netzwerk:
doch keinen Hunger vor lauter Sorge um deine beste Freundin.» Nicht einmal Wein bekam sie, nur Wasser, und sie verlangte auch nicht danach. Niemand wandte sich an sie oder bezog sie in die Gespräche mit ein. An Danielle aber schien das alles abzuprallen.
    Im Schlafsaal schwatzte niemand mehr, so bedrückt waren sie alle. Danielle schaute nicht auf den leeren Strohsack neben sich. Sie lag auf dem Rücken und beobachtete eineverirrte Taube, die sich auf dem Dachbalken zur Ruhe begeben hatte. Der Vogel steckte den Kopf unter einen Flügel. Endlich waren auch die anderen Beginen eingeschlafen. Sie hörte ihre gleichmäßigen Atemzüge, unterbrochen von Manons leisem, röchelndem Schnarchen.
    Behutsam erhob sich Danielle und ergriff einen Beutel, den sie unter dem Kopfkissen verborgen hatte. Auf bloßen Füßen schlich sie durch den Gang zwischen den Schlafstätten und die Treppe hinunter, durch den Speisesaal und hinaus. Erst auf dem Hof zog sie ihre Kleider und Schuhe an. Leise ging sie in die Küche und setzte einen Kessel Wasser auf. Sie blies in die Glut, um sie anzufachen, und legte ein paar Scheite trockenes Holz auf.
    Während das Wasser zum Sieden kam, schüttete sie einen Rest Wein in den Hof, der noch in der großen Kupferkanne war, aus der sich alle bedient hatten. Sie spülte die Kanne mit Wasser aus und stellte sie an ihren Platz.
    Dann prüfte sie Anniks Messer, entschied sich für eines und schärfte es nochmals am Schleifstein. Sie steckte das Messer in den Beutel, ergriff den Kessel mit dem kochenden Wasser, in den sie einige Kräuter geworfen hatte, und ging durch die Apotheke neben dem Hospital die enge Stiege hinauf in die Dachkammer, wo Magdalène lag.
    Danielle blieb vor der Türe stehen und horchte. Sie stieß die Türe auf, und da lag Justine, die Nachtwache halten sollte, auf dem zweiten Bett und schlief fest. Eine kleine Öllampe blakte in einer Nische in der Wand. Danielle band sich ein Tuch um den Kopf und zog es sich tief ins Gesicht. Magdalène stöhnte und wälzte sich. Danielle hob ihren Kopf und träufelte etwas zwischen ihre Lippen.
    Wenig später war die Fiebernde ruhiger geworden und lag still. Danielle machte sich an die Arbeit.
    Die Hähne hatten ihre liebe Mühe an diesem Morgen, diefaule Gesellschaft wach zu bekommen. Anne schlug als Erste die Augen auf. Die Sonne schien bereits zum Fenster herein. Sie setzte sich auf und rieb sich die Augen. «Lieber Himmel! Ich habe verschlafen!», murmelte sie. Eine nach der anderen kamen die Beginen aus ihren Betten gekrochen, aus dem Schlafsaal und aus den Häusern und wunderten sich, dass die Sonne schon so hoch am Himmel stand.
    Ein wilder Aufschrei weckte auch noch die letzten Schlafmützen. «Sie ist tot! O Gott! Lass es nicht wahr sein! Sie ist tot!» Justine kam laut schluchzend durch die Apotheke herausgestürzt in den Hof: «Magdalène ist gestorben, und ich habe geschlafen! Oh, wie schrecklich! Wie konnte ich nur? Ich habe geschlafen!»
    Jeanne kam aus dem Hospital, ebenso verquollen und träge wie die anderen. Als sie Justine schreien hörte, lief sie die kleine Stiege hinauf, so rasch sie konnte.
    Die anderen Beginen standen still im Hof. Sie lauschten. Danielle kam als Letzte aus dem Schlafsaal. Sie sah noch müder aus als die anderen.
    Eine ganze Weile war von dort oben nichts zu hören. Dann lehnte sich Jeanne aus dem Fenster: «Halleluja!», schrie sie. «Halleluja und gedankt sei Jesus Christus! Magdalène lebt! Sie ist gerade aus dem Fieber erwacht!»
    Alle Beginen drängten auf einmal in das kleine Haus hinein. Es gab einen Stau auf der Treppe. Wer konnte, steckte seinen Kopf zur Tür der kleinen Kammer hinein.
    «Es geht ihr besser», rief Jeanne, Tränen in den Augen. «Sie ist über das Schlimmste hinweg!»
    Schlaftrunken schaute Magdalène von ihrem Lager hoch. Sie hustete, räusperte sich und bat um Wasser.
    «Schwestern!», krächzte sie, und dann lauter: «Schwestern! Ein Wunder ist geschehen! Ein Engel ist heute Nacht bei mir gewesen.»
    «Ich habe nichts gesehen», flüsterte Justine.
    «Ich habe ein Licht gesehen, ein helles Licht, und es hat plötzlich so süß geduftet! Da war eine verhüllte Gestalt. Schlank war sie und hoch! Sie hat meinen Arm berührt und meine Stirn gekühlt und zu mir gesprochen. Ein Engel hat mich gerettet!»
    «Halleluja!» und «Amen!», sagten die Beginen, aber sie schrieben die Erscheinung Magdalènes Fieberwahn zu.
    «Hast du etwas mit dem Arm gemacht?», fragte Jeanne Justine. «Und

Weitere Kostenlose Bücher