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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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das Bild nach unten wachsen. Ein schöner Faltenwurf wurde in dunkleren Wolletönen sichtbar. Blumen und Grün leuchteten vor dem nachtschwarzen Hintergrund: gelb vonBirkensaft, grün vom Saft des Perückenstrauchs, rotbraun vom Krapp, blau von Waid. Geschickt verschränkte sie die Enden der Farbflächen, sodass keine Löcher im Bildwerk entstanden. Die Tonringe, mit denen die Kettfäden unten beschwert waren, klapperten aneinander wie ein Glockenspiel im Wind.
    Immer wieder schaute Gebba zu ihr herüber. Endlich gab sie sich einen Ruck. Sie stand auf und ging zu Danielle hinüber. «Es wird wirklich hübsch», sagte sie versöhnlich. «Da, ich habe dir ein paar besonders kräftig gefärbte Enden aufgehoben.» Sie hielt ihr ein kleines Bündel bunter Fäden hin, gelb, grün und blau. Verdutzt hielt Danielle inne und schaute zu ihr hoch.
    «Hast du einen Augenblick Zeit, Schwester? Ich möchte gern mit dir reden», fuhr Gebba fort.
    Danielle nickte. Gebba ging voraus, hinaus in den Garten. Danielle folgte ihr. Die anderen stellten ihr Geklapper und ihr Plaudern ein und schauten den beiden hinterher.
    «
Eh bèh!
Was ist denn jetzt passiert?», wunderte sich Manon. «Wer von euch hat Gebba Kreide unter den Brei gemischt?»
    «Heilige Jungfrau! Ich glaube gar, die wollen sich versöhnen!»
    «Na, das wäre ja mal was!»
    Gebba und Danielle gingen im Garten spazieren. Alix stützte sich auf ihre Hacke und sah ihnen mit offenem Mund nach.
    «Ich war ungerecht und gehässig zu dir. Es tut mir leid», sagte Gebba.
    «Und ich danke dir aufrichtig dafür, dass du den ersten Schritt getan hast. Es ist dir sicher nicht leichtgefallen», stellte Danielle fest. «Es fällt dir umso schwerer, als du mich nicht magst.»
    «Aber nein, ich mag dich», protestierte Gebba.
    Danielle winkte ab. «Nein, lass uns einander nicht belügen. Du magst mich nicht und du misstraust mir. Und ich kann leider gar nichts sagen, um dich zu befriedigen oder zu beruhigen.»
    «Dann ist es also wirklich, wirklich wahr? Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie das ist, wenn man sich selbst nicht kennt.» Sie machte eine Pause und bückte sich nach einem heruntergefallenen Apfel. «Obwohl ich zugeben muss, dass ich manchmal gerne eine andere sein würde.»
    «Warum?»
    «Nun, ich weiß ganz gut: Ich habe manchmal ein unangenehmes Temperament. Ich bin sauertöpfisch und leicht beleidigt. Und ich kann so stur sein wie ein Esel.»
    Danielle musste lachen. «Na, so schlimm ist es wirklich nicht. Du bist eben ernsthafter als andere und leicht zu kränken, weil dir alles tiefer unter die Haut geht. Und Sturheit kann auch etwas Gutes sein. Du gibst nicht leicht auf.»
    Jetzt war es an Gebba, überrascht zu schauen.
    «So? Findest du? Ja, weißt du, es ist manchmal nicht einfach. Wenn man ernsthaft und fleißig ist, dann finden einen die Leute langweilig. Ich will doch nur, dass alles richtig ist und die Arbeit gut getan wird! Dass jede sich anständig beträgt und die Regeln befolgt. Ich verlange doch nichts, was ich nicht selber vormache. Und lieben sie mich dafür? Nein! – Und dann kommt eine wie du daher und weiß gar nichts und kann gar nichts und hat vielleicht sogar was ausgefressen. Und sie mögen dich mehr als mich. Es ist einfach ungerecht. Das hat mich so wütend gemacht.»
    «Eigentlich ist es wirklich ungerecht. Aber ist es vielleicht so, dass du ihnen ein Stachel im Fleische bist? Die Menschen mögen die Vollkommenen nicht so besonders.»
    «Aber so vollkommen bin ich ja gar nicht, im Gegenteil.Ich bin die ewige Zweite! Was glaubst du, wie das ist! Mein Mann hat mich genommen, weil ich eine große Mitgift hatte, hat aber sein Leben lang andere Frauen gehabt, die schöner und jünger waren als ich. Manon ist eine viel bessere Weberin als ich, obwohl ich hart arbeite. Und bei ihr sieht immer alles so mühelos aus! Und wusstest du, dass Juliana und ich Sainte Douceline gemeinsam gegründet haben? Doch jedes Jahr wieder wird sie zur Meisterin gewählt und niemals ich. Sie fährt nie aus der Haut und kann besser mit Menschen umgehen. Das weiß ich ganz gut. Und das macht mich eben noch sauertöpfischer, weil ich weiß, dass die anderen hinter meinem Rücken über mich lachen. Und dann wünschte ich eben, dass ich eine andere wäre.»
    «Ja, siehst du», sagte Danielle. «Und ich habe mir offenbar so sehr gewünscht, eine andere zu sein, nicht so zu sein, wie ich gewesen bin, oder dass mir das, was mir zugestoßen ist, nicht zugestoßen wäre, dass

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