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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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als den Reiter interessierte Langenmantel jedoch der Mönch, der auf dem Wagen lag und dem verzerrten Gesicht nach zu urteilen starke Schmerzen zu erdulden schien.
    »Seid Ihr der hochwürdige Herr Doktor Luther?«
    »Der bin ich«, kam es matt zurück.
    »Kann ich etwas für Euch tun, hochwürdiger Herr? Soll ich einen Arzt rufen?«, fragte Langenmantel.
    Luther schüttelte den Kopf. »Ein oder zwei Tage Fasten und innige Gebete werden mir gewiss besser helfen als ein Medicus. Auch werden die frommen Brüder von Sankt Anna ein Tränklein kennen, das mein Fasten und meine Gebete unterstützen wird. Ich will so rasch wie möglich nach Augsburg, um von diesem rumpelnden Wagen herabzukommen. Eigentlich wollte ich ja zu Fuß reisen, wie es sich für einen schlichten Mönch geziemt, doch unterwegs habe ich arge Leibschmerzen bekommen. Daran mag der Gedanke schuld sein, mein Weg könnte ebenso enden wie jener des hochwürdigen Doktors aus Prag in Konstanz.«
    Ernst war klar, dass Luther auf Johann Hus anspielte. Die Gefahr, auf dem Scheiterhaufen zu landen, bestand tatsächlich, und er bewunderte den Mann, der ein so großes Risiko auf sich genommen hatte, um seinen Standpunkt zu vertreten.
    »Verehrter Doktor Luther, es dauert tatsächlich nicht mehr lange, dann seid Ihr in Augsburg!«, sagte er lächelnd.
    Über das Gesicht des Mönchs huschte ein Ausdruck, als blicke er schon in die Flammen, die ihn verzehren sollten. »Wollte Gott, ich würde an einen anderen Ort reisen. Sie werden versuchen, mich zu zwingen, meinen Thesen zu entsagen, oder mich für immer stumm machen.«
    »Das lassen wir nicht zu, hochwürdigster Herr!« Christoph Langenmantel zog eine Miene, als wolle er den Kampf mit jedem Gegner aufnehmen, der Hand an Martin Luther zu legen wagte, und seien es der Kaiser und der Papst selbst. Da fiel ihm auf, dass er dem Doktor aus Wittenberg bisher seinen Namen verschwiegen hatte, und holte dies nun nach: »Ich bin Christoph Langenmantel, Domherr zu Augsburg, und dieser junge Mann hier nennt sich Ernst Rickinger und ist der Sohn eines Kaufherrn aus München.«
    Ernst beugte kurz das Haupt, wusste aber nicht so recht, was er sagen sollte. Zwar stimmte er den meisten Kritikpunkten, die Luther an der Kirche geäußert hatte, zu, doch stand er derzeit in Jakob Fuggers Diensten, und dieser hatte aus seiner Abneigung gegen den sächsischen Mönch keinen Hehl gemacht. Er räusperte sich. »Wir tun, was in unserer Macht steht. Außerdem werdet Ihr im Karmeliterkloster auf Freunde treffen, Herr Doktor. Viele Menschen in Augsburg sind bereit, Euch mit ihrem Leben zu schützen!«
    »Ich danke euch, meine Freunde!« Die Bereitschaft der beiden Männer, alles für ihn zu tun, tat Luther gut, und er vermochte sogar einige der Fragen, die beide während des weiteren Weges an ihn richteten, mit Zitaten aus der Heiligen Schrift zu beantworten.
    »Es ist an der Zeit, dass jedermann selbst die Worte unseres Herrn Jesus Christus lesen kann, so dass er nicht mehr darauf angewiesen ist, zu glauben, was ihnen Priester vorschwätzen. Die sind oft selbst des Lateinischen kaum mächtig, und noch weniger vermögen sie es in die Sprache des Volkes zu übersetzen«, sagte er, kurz bevor sie das Wertachbrucker Tor erreichten. Die Torwachen kamen auf sie zu und musterten neugierig den Karren und den kranken Mönch.
    Langenmantel grüßte die Männer. »Wir bringen Doktor Martin Luther in die Stadt. Er ist unterwegs krank geworden und muss nun zum Karmeliterkloster gebracht werden.«
    »Es ist hoffentlich nichts Ansteckendes. In dem Fall dürften wir ihn nicht passieren lassen«, wandte einer der Torhüter ein.
    »Nein, das ist es nicht. Der Doktor hat nur etwas Falsches gegessen«, beruhigte Langenmantel den Mann.
    Der schien unsicher, wie er sich verhalten sollte. »Ihr bringt ihn zu den Karmelitermönchen? Nun, die werden wissen, was mit ihm zu tun ist.« Auf diese Weise schob er die Verantwortung schließlich von sich und gab Befehl, die Gruppe passieren zu lassen.
    Das ließ sich der Fuhrknecht nicht zweimal sagen und trieb seine Ochsen an. Diese verfielen in ihren gewohnten Trott und zuckelten durch das Tor. Während Martin Luther auf die Steine blickte, die den Bogen des Tores bildeten, fragte er sich, ob er diese Stadt als freier Mann würde verlassen können.
    Unterdessen winkte Langenmantel Ernst zu sich. »Ihr habt doch Euer Quartier praktisch im Zentrum des Feindes. Daher solltet Ihr Euch auf keinen Fall anmerken lassen, wie nahe

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