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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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begriff er, dass er nicht nach Hause gegangen war. Veva wird wütend sein, dachte er. Allerdings war sie von kühlem Gemüt und würde ihren Zorn bald vergessen haben. Außerdem ging es hier um höhere Dinge als um sein Weib. Er sann darüber nach, auf welche Weise Christoph Langenmantel Martin Luther helfen wollte, schlief darüber wieder ein und wurde erst spät am Morgen durch eine Magd geweckt, die das als leer geltende Zimmer säubern sollte.
    Bei seinem Anblick stieß sie einen kurzen Schrei aus, erkannte ihn dann aber und schüttelte den Kopf. »Hat Eure Frau Euch ausgesperrt, weil es in der Nacht arg spät geworden ist?«
    »Nein! Ich wurde durch meine Pflichten Kardinal Cajetanus gegenüber aufgehalten und wollte Veva nicht mehr wecken«, antwortete Ernst und stieg aus dem Bett.
    »Braucht Ihr Wasser zum Waschen und Rasieren?«, wollte die Magd wissen.
    »Das wäre kein Schaden. Allerdings benötige ich auch ein Rasiermesser!« Ernst versuchte zu lächeln, bekam aber nur eine Grimasse zustande, denn sein Kopf schwirrte. Dabei hatte er am Vortag nicht viel getrunken. Noch etwas benommen wartete er, bis die Magd frisches Wasser, Rasierzeug und ein Laken geholt hatte und ihn dann aufforderte, sich auf den Stuhl zu setzen.
    »Oder wollt Ihr Euch selbst rasieren?«, fragte sie auffordernd.
    Ernst holte eine Münze aus dem Beutel. »Die bekommst du, wenn du mir beim Rasieren kein Ohr abschneidest.«
    Dies gab für die Magd den Ausschlag. Sie seifte Ernst ein und schabte ihm anschließend mit dem Messer die Stoppeln von Kinn und Wangen. Es ging tatsächlich ohne Blutvergießen ab, und so konnte Ernst sich kurz danach zu Kardinal Cajetanus und den anderen Gästen gesellen. Zuerst wurde gebetet, danach das Frühstück gereicht, und schließlich hieß es warten. Portikus spottete, dass Luther die Zeit wohl weniger zum Schreiben als vielmehr zur Flucht genutzt hätte. Doch da drehte der Kardinal sich mit einem überlegenen Lächeln zu ihm um. »Dem Rat der Stadt Augsburg ist mitgeteilt worden, dass der sächsische Mönch die Mauern nicht ohne meine Erlaubnis verlassen darf, wenn er sich nicht die Ungnade Seiner Majestät, Kaiser Maximilians, zuziehen will.«
    Es ist also tatsächlich eine Teufelei geplant, schoss es Ernst durch den Kopf.
    In dem Augenblick meldete sich Franz von Gigging zu Wort. »Keine Sorge, Euer Eminenz. Wenn der Ketzer nicht spurt, kümmern wir uns um ihn. Er wird dieses Haus nicht verlassen, ohne vorher seinen Widerruf unterzeichnet zu haben!«
    »Halt!«, rief Jakob Fugger gebieterisch, der diesmal im Kreise seiner Gäste frühstückte. »Ich will nicht, dass es heißt, Luther wäre in meinem Haus gefangen gesetzt worden. Immerhin hat Kaiser Maximilian ihm freies Geleit zugesichert. Für mich und mein Unternehmen wäre es fatal, wenn dieser Mönch hier das Opfer eines falschen Spiels würde.«
    »Das ist kein falsches Spiel!«, fuhr Portikus auf.
    Cajetanus bedeutete ihm zu schweigen. »Sei still, Bruder! Der Mönch wird uns nicht entgehen. Doch warten wir zuerst ab, ob er sich reuig zeigt. Wenn nicht, werden wir ihn morgen aus der Obhut des Karmeliterordens in die unsere übernehmen.«
    »Ich warte nur auf den entsprechenden Befehl!« Mit diesen Worten hob Gigging den Becher und trank den anderen zu. Dann schnalzte er anerkennend mit der Zunge. »Der Wein ist gut. An den könnte ich mich gewöhnen!«
    Ernst hätte nicht zu sagen vermocht, ob der Wein nun süß oder sauer war. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, und er musste sich zusammenreißen, um dem Kardinal nicht ins Gesicht zu sagen, was er von Menschen hielt, die freies Geleit versprachen und es dann doch nicht einhalten wollten. Er musste wieder daran denken, dass gut einhundert Jahre zuvor Johannes Hus ebenfalls auf das Wort eines Kaisers vertraut hatte und zum Konzil nach Konstanz gereist war. Statt seine Zusage einzuhalten, hatte der Kaiser es gestattet, dass der Böhme wider jedes Recht gefangen gesetzt, verurteilt und bei lebendigem Leib verbrannt worden war. Diesen Verrat hatte das Reich mit einem beinahe zwei Jahrzehnte andauernden, unsagbar grausamen Krieg bezahlen müssen. Was würde es die Menschen an blutigen Opfern kosten, wenn man Luther hinrichtete? Diese Frage wagte Ernst nicht zu beantworten. Stumm saß er am Tisch und hörte zu.
    Diesmal verbot der Kardinal es ihm, zum Karmeliterkloster zu gehen. Luther sollte nicht mehr wie ein Gast geleitet werden, sondern als Bittsteller kommen. Die Gruppe um Cajetanus

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