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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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mancher Kirchenfürst, der auf dem Stuhle Petri in Rom saß, hatte erlaubt, was seine Vorgänger verboten, oder verboten, was seine Vorgänger erlaubt hatten.
    Schon deshalb war Ernst nicht von der Allmacht und Unfehlbarkeit des Papstes überzeugt, die Cajetan so vehement vertrat. Am liebsten hätte er sich mit Luther über dieses Thema unterhalten. Da dieser jedoch die angekündigte Rechtfertigung schreiben wollte, verabschiedete er sich am Klostertor von dem Mönch und kehrte in Gedanken versunken in Richtung Fuggerhaus zurück.
    Christoph Langenmantel, der es zu Hause nicht mehr ausgehalten hatte, passte Ernst ab und musste diesen am Ärmel fassen und beiseiteziehen, damit er auf ihn aufmerksam wurde.
    »Und? Was spielt sich ab?«, fragte der Domherr gespannt.
    »Sie kommen morgen noch einmal zusammen. Doktor Luther will seine Thesen schriftlich belegen, doch ich glaube nicht, dass Cajetanus sich davon beeindrucken lassen wird.«
    »Luther widerruft also nicht!« Langenmantel klang erleichtert.
    Ernst nickte beklommen. »Das ist richtig. Aber damit schwebt er in höchster Gefahr. Ich traue dem Kardinal nicht. Er hat Gigging und dessen Männer gewiss nicht umsonst bei sich behalten. Das kann nur eines bedeuten …«
    »… Cajetanus will Luther gefangen nehmen und nach Rom schleppen«, setzte Langenmantel den unvollendeten Satz fort.
    »Das glaube ich auch! Wenn ich nur wüsste, wie wir das verhindern können.«
    Langenmantel legte die Stirn in Falten, als sähe er ein Unwetter am Horizont auftauchen. »Wir brauchen Luther! Wenn er auf dem Scheiterhaufen endet, führen sich die Pfaffen noch schlimmer auf, als sie es jetzt bereits tun. Schau dir doch diese Prälaten und Bischöfe an, die an jedem Finger zwei Ringe tragen, von denen ein einzelner mehr wert ist, als tausend Gläubige in einem Jahr spenden können. Sie halten sich Beischläferinnen und versorgen ihre Bastarde auf Kosten der Menschen, denen sie in christlicher Demut dienen sollen.«
    Der Domherr hatte sich so in Rage geredet, dass er Ernst packte und ihn schüttelte. »Luther darf nicht sterben, sonst wird diese Kirche zu einem Sodom und Gomorrha, und ihre Kleriker werden zu Dienern des Teufels, die die Seelen der Menschen unweigerlich in Luzifers Reich führen!«
    Man konnte ihm die Angst um das eigene Seelenheil ansehen, und Ernst fragte sich, wie es um ihn selbst stand. Auch er hatte gesündigt und zudem auch noch Männer der Kirche verhöhnt. Doch wenn er auf einen Ablasshändler traf, würde eine Handvoll Münzen ausreichen, ihm trotzdem die Anwartschaft für das Paradies zu erkaufen. Nicht seine Reue war hier wichtig, sondern allein die Größe seines Geldbeutels.
    »Es ist wirklich eine Schande!«, entfuhr es ihm.
    »Was?«, fragte Langenmantel verärgert, weil dieser Ausruf seinen eigenen Gedankengang unterbrach.
    »Ich habe an die Kirche gedacht und an Luther! Der Mann hat recht! Die Kirche muss von Grund auf erneuert werden. Doch das wird nie geschehen, wenn alle, die die Verderbtheit der Kleriker anprangern, auf den Scheiterhaufen gestellt werden.«
    Langenmantel nickte heftig. »Ihr seid also auch der Meinung, dass wir Doktor Luther helfen müssen! Kehrt jetzt in das Fuggerhaus zurück und behaltet den Drachen aus Rom im Auge. Sobald Ihr erfahrt, was gegen Luther geplant ist, kommt Ihr zu mir. Ich habe eine Idee, wie wir ihn retten können.«
    Ernst wäre lieber geblieben und hätte seinen Freund ausgefragt. Aber da er Cajetanus und dessen Mitstreiter nicht zu lange allein lassen wollte, verabschiedete er sich und kehrte so schnell, wie es ihm unauffällig möglich war, zum Kardinal zurück.

8.
    I n seinem Bestreben, Cajetanus nicht aus den Augen zu lassen, vergaß Ernst ganz, dass Veva auf ihn wartete. Als sich der Kardinal mit seinem Gefolge an den Abendbrottisch setzte, legte man auch ihm vor, und danach debattierten die Geistlichen darüber, wie sie Luther doch noch zum Widerruf bewegen konnten. Doch über das, was geschehen sollte, wenn der sächsische Mönch dazu nicht bereit war, verloren sie zu Ernsts Enttäuschung kein Wort.
    Spät am Abend begab Cajetanus sich zur Ruhe, und seine Begleiter zogen sich ebenfalls zurück. Ernst überlegte, ob er zu Veva gehen sollte. Aber seine Frau lag gewiss längst im Bett und schlief. Da er sie nicht wecken wollte, suchte er die Kammer auf, in der er bis zu ihrer Ankunft geschlafen hatte, und legte sich dort nieder.
    In der Nacht wachte er auf und tastete nach Veva. Erst als er sie nicht fand,

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