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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sich sagte, dass er keines Gedankens wert sei, lag sie lange wach und grübelte über ihr weiteres Leben nach.
    Auch Ernst konnte in dieser Nacht kaum schlafen. Doch anders, als Veva annahm, dachte er nicht an irgendwelche Frauen, sondern versuchte sich vorzustellen, wie es wohl zwischen Luther und Cajetanus weiterging. Es war abzusehen, dass die beiden aufeinanderstoßen würden wie zwei kampfbereite Widder, und er wusste nicht, wer von ihnen den härteren Kopf hatte.

7.
    A m nächsten Morgen drängte es Ernst, so rasch wie möglich zum Fuggerhaus zu kommen. Daher schlang er den Morgenbrei hinunter und verließ Veva mit einem knappen Gruß. Die junge Frau sah ihm kopfschüttelnd nach. In ihren Augen war Ernst keinen Deut besser als ihr Vater. Dieser hatte sie auch dann noch von allen wissenswerten Dingen ferngehalten, die den Handel betrafen, als sie bereits seine Korrespondenz erledigt und sein Rechnungsbuch geführt hatte. Bei Ernst durfte sie anscheinend ebenfalls nicht darauf hoffen, dass er sie ins Vertrauen zog. Dabei wusste sie von etlichen ihrer früheren Nachbarinnen in München, dass diese ihren Ehemännern kräftig unter die Arme griffen und teilweise sogar die Seele ihrer Geschäfte waren. Sie aber hatte nun ein langweiliges, zähes Leben vor Augen, in dem sie ihre Zeit damit ausfüllen musste, das Gesinde zu überwachen, ihre Kinder zu erziehen und zwischendurch ihre Kleider zu nähen oder zum Stickrahmen zu greifen.
    Ohne etwas von Vevas Gedankengängen zu ahnen, eilte Ernst durch die Straßen und traf Cajetanus, Portikus und die anderen beim Frühstück an. Jakob Fugger ließ den Herren nur das Beste auftischen, saß aber selbst nicht mit am Tisch, sondern kontrollierte seine Schreiber.
    Ernst stellte sich neben die Tür und wartete auf Anweisungen. Die Herrschaften dachten jedoch nicht daran, die Tafel so bald aufzuheben. Auch als der Tisch abgetragen worden war, dauerte es eine Weile, bis sich etwas tat. Cajetanus las noch einmal die Thesen Luthers durch und schrieb Anmerkungen neben den Text. Der Vormittag war schon recht fortgeschritten, als der Kardinal verlangte, Luther solle zu ihm gebracht werden.
    Beklommen verließ Ernst Fuggers stattliches Anwesen und eilte in Richtung Karmeliterkloster. Luther und seine Begleiter erwarteten ihn wie am Vortag. Der Sachse trug ein dickes Bündel Papiere unter dem Arm und wirkte kämpferisch. Diesmal würde der Mönch wohl nicht in aller Demut vor dem Kardinal zu Boden fallen, schoss es Ernst durch den Kopf.
    Luther beantwortete seinen höflichen Gruß mit einem kurzen Nicken und schien es kaum erwarten zu können, Cajetanus gegenüberzustehen. Innerhalb kurzer Zeit erreichten sie das Fuggerhaus und betraten wenig später das Zimmer des Kardinals. Während an diesem Tag auch für Luthers Begleiter Stühle bereitgestellt worden waren, musste er selbst stehen. Nichtsdestotrotz verteidigte er vehement seine Thesen und forderte Cajetanus entschieden auf, ihm jene Stellen in der Heiligen Schrift zu nennen, die dem Papst das Recht gäben, Sünden gegen Geld zu erlassen.
    Damit war der Fehdehandschuh geworfen. Cajetanus wurde blass, versuchte dann aber, Luthers Argumente mit theologischen Ausführungen zu entwerten. Da der Mönch mit immer neuen Begründungen antwortete, entspann sich innerhalb kurzer Zeit ein Wettkampf, in dem jeder der beiden Beteiligten seinen Standpunkt mit äußerstem Nachdruck vertrat.
    Zunächst hatte Cajetanus noch gehofft, Luther mit seiner Beweisführung in die Knie zwingen zu können, doch schon nach dem ersten Wortgefecht begriff er, dass der Mönch sich ausgezeichnet vorbereitet hatte. Zuletzt erklärte Luther sogar, er könne seine Thesen jederzeit schriftlich rechtfertigen, und bat den Kardinal, diese dem Papst in Rom vorzulegen.
    In dem Wissen, dass er Luther an diesem Tag nicht zum Widerruf zwingen konnte, gab Cajetanus dem sächsischen Mönch einen weiteren Tag Bedenkzeit. Luther bedankte sich und verließ das Haus.
    Ernst hatte zwar nicht dem gesamten Disput folgen können, doch kamen ihm die Ausführungen des Sachsen präziser und logischer vor als die teilweise recht schwammigen Erklärungen des Kardinals. Auf jeden Fall hatte Luther die Heilige Schrift auf seiner Seite, während Cajetanus sich hauptsächlich auf die Bullen der Päpste und die Schriften der Kirchenlehrer berief. Ernst konnte nicht glauben, dass Gott all diesen Männern seine Worte in die Feder diktiert hatte, denn sie widersprachen sich teilweise heftig, und so

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