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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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sich. »Wie Ihr es befehlt, Herr. Eine gute Nacht wünsche ich noch!« Als er den Raum verließ, fragte Ernst sich, ob Fugger ihm die Gelegenheit geben wollte, Luther zu warnen. Zwar waren die Tore geschlossen und den Torwächtern befohlen worden, den sächsischen Mönch nicht passieren zu lassen. Doch möglicherweise konnte sich der verstecken, um die Stadt am nächsten Tag in Verkleidung zu verlassen. Ernst hoffte auf die Hilfe Christoph Langenmantels und wollte sich schon zu dessen Haus aufmachen. Mit einem Mal glaubte er, ein Geräusch zu vernehmen, und blickte noch einmal über die Schulter zurück. Dabei fiel ihm ein Mann auf, der ihm in einem gewissen Abstand folgte.
    Nun erinnerte er sich, beim Weggehen bemerkt zu haben, dass Gigging einem seiner Männer einen kurzen Wink gab. Wie es aussah, sollte der Kerl prüfen, ob er tatsächlich nach Hause zurückkehrte. Mit dem Gefühl, sich auf eine Sache eingelassen zu haben, die ihm über den Kopf zu wachsen drohte, eilte er weiter und erreichte kurz darauf Fuggers Armensiedlung. Deren Tore waren bereits verschlossen, und er hätte den Pförtner am Haupteingang wecken müssen, um eingelassen zu werden. Der Mann würde sich jedoch sehr wundern, wenn er gleich darauf wieder ins Freie wollte, und sich am nächsten Tag, wenn die Nachricht von Luthers Flucht die Runde machte, daran erinnern. Das durfte Ernst nicht riskieren. Daher bog er zwar in den lichtlosen Gewölbegang des Haupteingangs ein, presste sich aber neben dem Tor gegen die Mauer und wagte kaum zu atmen.
    Kurz darauf sah er draußen einen Schatten, der gemächlich auf den Durchgang zukam und hereinspähte. Hätte der Mann eine Laterne bei sich gehabt, wäre Ernst ihm nicht entgangen. So aber begnügte der Waffenknecht sich damit, kurz mit seinem Schwert im Toreingang herumzufuchteln.
    Ernst fühlte den Luftzug der Klinge und betete lautlos, nicht getroffen zu werden. Zu seiner Erleichterung gab der Verfolger bald auf und ging leise vor sich hin pfeifend Richtung Fuggerhaus. In Gedanken zählte Ernst bis hundert, dann huschte er wieder ins Freie und eilte durch die nächtlichen Gassen, die er genauso gründlich erkundet hatte wie die in München, um sich ohne Laterne darin bewegen und heimlich die Freunde des Wittenbergers aufsuchen zu können.
    Wenig später erreichte er Langenmantels Haus. Noch während er sich überlegte, wie er den Hausherrn auf sich aufmerksam machen sollte, ohne dass es die Nachbarn bemerkten, wurde die Tür geöffnet. Der Domherr blickte mit einer Laterne in der Hand heraus und zog Ernst in den Flur. »Ich dachte mir doch, dass ich eben Schritte gehört hätte, die vor meinem Haus endeten. Was gibt es zu berichten, Rickinger?«
    »Luther sollte heute widerrufen, doch er hat es nicht getan. Jetzt wollen Gigging und dessen Kumpane ihn um Mitternacht aus dem Karmeliterkloster holen und gefangen nehmen.«
    »So eine Sauerei! Aber denen werden wir eine lange Nase drehen. Kennt Ihr den Alten Einlass in der Nordmauer?«
    Ernst nickte.
    »Findet Ihr in der Nacht den Weg dorthin?«
    »Ich glaube schon«, antwortete Ernst zögernd, denn der Teil Augsburgs war ihm noch nicht sehr vertraut.
    »Sehr gut! Ich werde mir jetzt aus der Wachstube den Schlüssel zu dieser Pforte besorgen. Ihr holt inzwischen Doktor Luther und bringt ihn dorthin!«
    »Soll er etwa zu Fuß fliehen?«, fragte Ernst entsetzt.
    »Natürlich nicht! Ich habe bei einem Bauern zwei Pferde untergestellt. Da der Doktor einen Begleiter braucht, der die Gegend kennt und ihn so rasch wie möglich fortschaffen kann, habe ich Korbinian Echle gebeten, das zu übernehmen. Ich wecke ihn unterwegs. Nun macht rasch, sonst sind die Häscher schneller als wir! Hier, die werdet Ihr brauchen.« Langenmantel reichte Ernst die Laterne und gab ihm einen Schubs. Er selbst eilte in die Dunkelheit hinaus, um Echle zu holen. Den Weg zu dessen Haus hätte er mit verbundenen Augen finden können.
    Ernst sah ihm nach, schüttelte sich dann, als fröstele er, und rannte los. Die Angst, zu spät zu kommen, beschleunigte seine Schritte, und so tauchte schon bald das Karmeliterkloster vor ihm auf. Anders als bei Langenmantel wagte er hier an das Tor zu klopfen, und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis jemand kam und die kleine Klappe in Augenhöhe anhob. Eine Lampe wurde herausgestreckt, ohne dass Ernst erkennen konnte, wer dort stand.
    »Ich muss dringend Doktor Luther sprechen«, rief er eindringlich.
    »Ah, der junge Rickinger! Ihr seid aber spät

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