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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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verbrachte die Zeit, die sie auf das Erscheinen des sächsischen Mönchs warteten, mit Gebeten und frommen Gesprächen. In diesen Stunden hätte sich niemand, der sie so sah, vorstellen können, dass sie die Gefangennahme ihres Widersachers planten. Der Kardinal erwies sich als witziger Erzähler, der Jakob Fugger mit Anekdoten aus Rom unterhielt. Unter anderen Umständen hätte auch Ernst seine Schilderungen genossen. Nun aber glitten sie an ihm vorbei wie das Säuseln des Windes.
    Nach längerer Zeit erschien ein Diener und verbeugte sich vor Fugger. »Herr, der Mönch ist erschienen!«
    Sofort war die gelöste Stimmung im Raum wie weggefegt. Cajetanus nahm einen ernsten, ja beinahe starren Ausdruck an, während Portikus ein hämisches Lächeln aufsetzte. Die Geistlichen suchten ihre Plätze auf und sahen zur Tür.
    Luther trat mit einem dicken Bündel Papier unter dem Arm ein, welches er in langen Stunden beschrieben hatte, und neigte den Kopf vor dem Kardinal. »Euer Eminenz, hier habe ich alle Gründe gegen einen vom Papst gewährten Ablass aufgeschrieben, die ich in der Heiligen Schrift gefunden habe!« Mit diesen Worten reichte er die Blätter dem Kardinal.
    Dieser nahm sie entgegen, schleuderte sie aber mit einem Ausdruck des Ekels in eine Ecke. »Widerrufe!«, fuhr er den Mönch an.
    Luther schüttelte langsam den Kopf. »Euer Eminenz, ich habe diese Schrift nach meinem Gewissen geschrieben. Sie …«
    »Schweig! Widerrufe!«, donnerte Cajetanus. Dann versuchte er, Luther mit dem Hinweis auf Thomas von Aquin und andere Kirchenlehrer zur Einsicht zu bewegen. Doch Luther widerlegte auch diese Worte mit Zeilen aus der Heiligen Schrift.
    Als der Sachse schwieg, überschüttete der Kardinal ihn mit Schmähungen und wies dann mit der Rechten zur Tür. »Verschwinde! Und wage es nie wieder, mir unter die Augen zu treten, es sei denn, du widerrufst deine Häresie!«
    »Hast du nicht gehört?«, rief Portikus, als der Mönch nicht sofort gehorchte.
    Zuerst sah es so aus, als wolle Luther noch etwas sagen. Dann aber drehte er sich um und verließ mit verbissener Miene den Raum. Seine Haltung verriet Ernst, dass der Mann erwartete, auf der Stelle festgesetzt zu werden. Das aber hatte Jakob Fugger verhindert. Während Luther das Haus verließ, fragte Ernst sich verzweifelt, was nun folgen würde.

9.
    D er Kardinal schickte noch zur gleichen Stunde einen Boten zu den Toren mit dem Befehl, Luther nicht aus der Stadt zu lassen. Danach zog er sich zum Gebet zurück, um, wie er sagte, Gott anzuflehen, dass der Herr im Himmel das verhärtete Gemüt des sächsischen Mönchs erweiche und ihn die Wahrheit erkennen lasse.
    Da Ernsts Dienste nicht mehr gebraucht wurden, hätte er gehen können. Er blieb jedoch in der Hoffnung, mehr über die Pläne des Kardinals und seiner Helfershelfer zu erfahren. Daher überwachte er die Diener, die Portikus, Gigging und die anderen versorgten. Zu seiner Erleichterung nahm sein alter Feind aus München seine Anwesenheit ohne bissige Kommentare hin. Dafür berichtete er von einer Ketzerverbrennung, bei der er Zeuge gewesen war, und gab seiner Hoffnung Ausdruck, auch bei der Verbrennung Luthers anwesend sein zu dürfen.
    Der Abend kam, ohne dass sich etwas tat. Als die Nacht jedoch ihren schwarzen Mantel über die Stadt breitete, nickte Gigging Portikus zu. »Wir warten noch bis Mitternacht. Dann gehen wir zum Kloster und holen uns den Kerl!«
    Um Mitternacht also, dachte Ernst. Da hatte er nicht mehr viel Zeit. Noch während er überlegte, unter welchem Vorwand er das Haus verlassen konnte, trat Jakob Fugger herein und kniff bei seinem Anblick die Augen zusammen. »Wieso bist du noch hier, Rickinger? Du solltest längst zu Hause sein. Dein Weib wartet auf dich.«
    »Verzeiht, Herr, aber ich dachte, meine Dienste würden noch gewünscht.«
    »Deinen Eifer in allen Ehren, doch für das, was jetzt kommt, benötigen die Herrschaften dich nicht mehr.«
    Ernst glaubte, aus Jakob Fuggers Stimme unterdrückten Zorn herauszuhören. Wie es aussah, gefiel es dem Kaufherrn ganz und gar nicht, dass Martin Luther gefangen genommen werden sollte, nachdem er mehrfach in seinem Haus gewesen war. Zwar hatte der Kaufherr sich vehement gegen die Thesen des Mönchs ausgesprochen, doch er wollte nicht mit einem Schurkenstück in Verbindung gebracht werden, das ihn in weiten Teilen des Reiches die Reputation kosten konnte.
    »Geh schon!«, befahl Fugger, als Ernst nicht sofort gehorchte.
    Der junge Mann verbeugte

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