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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ein. Rasch eilte Ernst zu dem ersten Betrunkenen und wollte ihm schon den Schlüssel zustecken, als ihm einfiel, dass die Stadtknechte zwei Männer entdeckt hatten. Er zerrte den, bei dem er stand, ein paar Schritte zur Seite, bis er ihn im Mondlicht erkennen konnte. Bei diesem Mann handelte es sich um einen Fremden, der zu dem Fest gekommen war und es versäumt hatte, rechtzeitig sein Quartier aufzusuchen.
    Ernst ließ ihn liegen und machte sich auf die Suche nach dem Hausknecht, der dem Geruch zufolge mittlerweile im eigenen Erbrochenen lag. Angewidert zog er den Mann ein Stück hoch, schob ihm den Schlüssel unter die Kleidung und ließ ihn wieder fallen. Dann machte er, dass er davonkam. Es war keinen Augenblick zu früh, denn er hörte bereits den Stadtknecht zurückkehren.

9.
    A ls Ernst das väterliche Anwesen erreichte, war er noch viel zu aufgedreht, um zu Bett gehen zu können. Deshalb ging er um das Haus herum, betrat den Hof und blieb neben der Hundehütte stehen. Hasso kam knurrend heraus, beruhigte sich aber, als er ihn erkannte.
    »Brav, mein Guter!«, lobte Ernst ihn und griff in die Hütte, um den Packen mit den Schriften herauszuholen. Übermütig beschloss er, Doktor Portikus eine lange Nase zu drehen. Er öffnete das Paket, nahm etliche Flugblätter heraus und barg sie unter seiner Weste. Den Rest verstaute er wieder in der Hundehütte.
    »Pass gut darauf auf«, forderte er Hasso auf und verließ das väterliche Anwesen wieder.
    Ihm reichte das Mondlicht, um sich auf Pfaden zu bewegen, die er sogar besser kannte als die Stadtknechte. Zwar durfte er sich ohne Laterne nicht erwischen lassen, aber da die Männer, die immer noch die Gassen nach Betrunkenen absuchten, genug Lärm machten, vermochte er ihnen aus dem Weg zu gehen. Nach kurzer Zeit erreichte er den Dom Unserer Lieben Frau und trat ein. Die am Altar brennenden Kerzen tauchten das Kirchenschiff in flackerndes Licht, in dem man kaum den Boden erkennen konnte. Doch Ernst gelang es dennoch, einen Teil der Flugblätter auf den Betstühlen bestimmter Patrizier und hoher Geistlicher zu verteilen. Dann verließ er den Dom und wanderte im Bogen um den Schrannenplatz herum, auf dem immer noch ein paar Leute feierten, und traf nach wenigen Schritten auf die Peterskirche. Dort ließ er den Rest der Blätter zurück und ging anschließend vergnügt nach Hause. Nun vermied er die Begegnung mit den Stadtknechten nicht nur wegen der fehlenden Laterne, sondern auch, damit ihn niemand mit den Schriften in Verbindung brachte, die am nächsten Morgen in den beiden Pfarrkirchen entdeckt werden würden.
    Kaum hatte er die Haustür hinter sich zugeschlossen, trat sein Vater aus dem Kontor und maß ihn mit zornigem Blick. »Weißt du, wie spät es ist, du Lümmel? Du hättest längst daheim sein müssen! Stattdessen warst du wieder saufen und huren. Du bist eine Schande für unsere Familie! Beim Herrgott im Himmel, warum muss ich so etwas wie dich zum Sohn haben?«
    Jeder dieser Sätze wurde von einem Hieb mit dem Stock auf den Boden begleitet. Ernst zog den Kopf ein, denn so wütend hatte er seinen Vater schon lange nicht mehr erlebt. Für ein paar Augenblicke sah es sogar so aus, als wolle dieser ihn züchtigen, obwohl er über das Alter längst hinaus war.
    Doch Eustachius Rickinger stützte sich nur schwer auf seinen Stock und blickte seinen Sohn mit eisiger Miene an. »Du kommst jetzt mit!«
    Verwundert folgte Ernst ihm ins Kontor. Der alte Herr setzte sich auf seinen ledergepolsterten Stuhl und wies ihn an, stehen zu bleiben. »Da ich keinen anderen Sohn als dich habe, werde ich dafür sorgen, dass du dich ab jetzt so benimmst, wie ich es mir vorstelle. Bei der Heiligen Jungfrau, ich schwöre dir, ich werde dich eher enterben und mein Vermögen Fremden hinterlassen, als weiter zusehen, wie du dich zum Gespött der ganzen Stadt machst!«
    Da sein Vater stolz auf die eigene Sippe war, vermochte diese Drohung Ernst nicht einzuschüchtern. Eines aber begriff er: Das Schäkern und Tändeln mit bereitwilligen jungen Mägden war fürs Erste vorbei.
    »Damit dich der Hafer nicht zu sehr sticht, erlaube ich dir, einmal im Monat ins Frauenhaus zu den Huren zu gehen«, fuhr der Vater fort. »Allerdings wirst du das nicht lange tun müssen, denn ich werde dich so bald wie möglich verheiraten. Ich schwöre dir, ich werde dir eine Braut aussuchen, die dir deinen Übermut austreiben wird, und wenn sie dafür den Besenstiel nehmen muss!«
    »Ich soll heiraten?« Ernst

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