Die Ketzerbraut. Roman
Nun aber setzte er sich gemütlich auf einen Stuhl, betrachtete die holzgetäfelten Wände und die schweren, altersdunklen Balken, die die Decke trugen, und fühlte sich einfach wohl. So schön es zu Hause bei Veva auch war, so freute er sich doch, wieder andere Gesichter zu sehen als in München oder in Fuggers Haus.
»Sollten wir nicht hier übernachten? Es wird draußen schon dunkel«, fragte Sepp.
»Es ist gerade erst Mittag. Ein paar Stunden können wir noch reiten. Und jetzt iss auf! Je schneller du fertig wirst, umso eher erreichen wir unser Nachtquartier.« Ernst ließ sich von Sepps schlechter Laune nicht anstecken, sondern verzehrte genüsslich sein Essen, bezahlte und verließ die Wirtsstube, um den Knechten draußen zu sagen, sie sollten sein und Sepps Pferd wieder aus dem Verschlag holen, in dem sie die Tiere untergestellt hatten.
Sepp kam erst aus der Wirtschaft, als Ernst laut nach ihm rief. Grummelnd setzte er sich aufs Pferd und ritt wie das Leiden
Christi hinter seinem Herrn her.
Trotz Sepps Trödelei kamen sie gut voran und erreichten den Gasthof, in dem Ernst übernachten wollte, noch vor der Dämmerung. Bei dem kalten Wetter befanden sich nur wenige Gäste in der Stube, und diese waren in Richtung München unterwegs. Neugierig fragten sie Ernst, was sich in den letzten Wochen in der Stadt getan habe. Er stand Rede und Antwort, so gut er es vermochte, war aber schließlich froh, als die anderen ihre Betten aufsuchten.
Nun nahm auch er einen der Kerzenhalter, die der Wirt herumreichte, und klopfte seinem Knecht auf die Schulter. »Komm schlafen, Sepp! Der morgige Tag ist früh genug da.«
Der Knecht brummte nur etwas und folgte ihm. Statt ihn in den Stall zu schicken oder ihn in der Gaststube auf der harten Bank einzuquartieren, hatte Ernst auch einen Schlafplatz für Sepp gemietet, und so mussten sie sich ein Bett teilen. Nicht lange, da bedauerte Ernst seine Großzügigkeit, denn Sepp schnarchte gotterbärmlich und hatte zudem die Angewohnheit, sich im Schlaf mit den Ellbogen Platz zu schaffen.
Ab dem nächsten Tag, so schwor Ernst sich, würde sein Knecht wie die anderen Bediensteten neben dem Pferd im Stroh schlafen. Dort war es auch warm, und er hatte seine Ruhe – zumindest, wenn er genug bezahlte, um das Bett nicht mit einem fremden Gast teilen zu müssen.
19.
E rnst und Sepp ritten bereits durchs Gebirge, ohne dass sie Reisegefährten gefunden hätten. Nur ab und an waren sie auf einzelne Wanderer gestoßen, die von einem Dorf zum anderen unterwegs waren. Diese waren jedoch rasch hinter ihnen zurückgeblieben.
Ernst hätte nun viel darum gegeben, wenn sie in Gesellschaft hätten reisen können, denn ihre Lage verschlechterte sich von Stunde zu Stunde. Das Land lag unter einer dicken Schneedecke, und der Weg war nur noch durch in den Boden gesteckte Zweige zu erkennen. Gelegentlich teilte sich die Straße, und oft war er unsicher, ob er sich nun rechts oder links halten sollte. Zudem wurde der Himmel immer dunkler, als bräche bereits die Dämmerung herein, obwohl es kaum später als eine Stunde nach Mittag sein konnte. Kurz darauf tanzten erste Schneeflocken um ihn und seinen Begleiter.
Als sie eine weitere Abzweigung erreichten und Ernst sich fragte, wie sie weiterreiten sollten, begann Sepp zu schimpfen. »Ihr hättet im letzten Dorf einen Führer mitnehmen sollen! Jetzt werden wir uns verirren und elend erfrieren!«
»Erfrieren werden wir wohl kaum, denn ich habe vorhin mehrere Rauchfahnen gesehen, die aus den Kaminen großer Bauernhöfe oder sogar von Burgen stammen müssen. Sollte das Wetter sich weiter verschlechtern, werden wir dort Unterschlupf finden.«
Ernst ärgerte sich weniger über den Knecht, der ihm eher eine Belastung denn eine Hilfe war, als über sich selbst. Obwohl er die Berichte über die Winterstürme im Gebirge kannte, hatte er sich in München nicht vorstellen können, wie sich das Land zwischen den Bergen zu dieser Jahreszeit veränderte. Nun begriff er, dass es Leichtsinn gewesen war, den Weg ohne einen erfahrenen Führer anzutreten.
Noch während er mit sich haderte, hörte er hinter sich Rufe. Er drehte sich um und entdeckte drei Reiter, die offensichtlich bemüht waren, zu ihnen aufzuschließen.
»Von denen wird gewiss einer wissen, wie wir weiterreiten müssen«, sagte er zu Sepp und wartete, bis die Fremden näher gekommen waren.
»Grüß euch Gott! Seid ihr auch bei dem schlechten Wetter unterwegs?«
»Wie du siehst! Es war schon
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