Die Ketzerbraut. Roman
meist nur von weitem zu sehen, und es war schier unmöglich, ihn anzusprechen. Dabei erwog Hilarius schon geraume Zeit, mit ihm über Gigging zu reden. Seine Angst, den Kaufherrn zu verärgern und damit Veva in Schwierigkeiten zu bringen, war jedoch zu groß. Deren Auftrag, mehr über Franz von Gigging herauszufinden, gab er dennoch nicht auf.
Wie an jedem Tag erledigte er auch an diesem zuerst die Arbeit, die Fuggers Vertrauensmann ihm aufgetragen hatte, und widmete sich anschließend Vevas Geschäften. Als er damit fertig war, trat er in das Kontor seines Vorgesetzten. »Verzeiht mir, doch ich hätte eine Bitte. Meine Herrin wünscht mehr über einen Ritter in Bayern zu erfahren, und ich würde ihr gerne helfen.«
»Wie heißt dieser Ritter?«
»Franz von Gigging. Es handelt sich um denselben Mann, der im letzten Oktober als Begleiter Seiner Eminenz Kardinal Cajetanus hier zu Gast war.«
»Ach der!« Hilarius’ Gesprächspartner verzog das Gesicht. »Der Kerl war eine Pest und hat mindestens zwei Mägden hier im Haus zu dicken Bäuchen verholfen. Also sehen wir nach, was wir über ihn finden!«
»Vergelt’s Gott!« Hilarius atmete auf. Wie er Jakob Fugger einschätzte, wusste dieser weitaus mehr über Gigging und die anderen Ritter in Bayern als Herzog Wilhelm und all seine Beamten. Neugierig folgte er dem Aufseher in einen Raum, der von einer festen Tür mit einem kompliziert aussehenden Schloss versperrt war. Drinnen standen an allen vier Wänden wuchtige, fast deckenhohe Schränke. Sein Begleiter öffnete einen davon, zog mehrere Stapel sauber gebündelter Papiere heraus und drückte sie Hilarius in die Hand.
»Durchsehen kannst du sie selbst! Ich habe anderes zu tun. Wenn du fertig bist, lässt du mich durch einen Diener holen, damit ich alles wieder einräumen kann.«
Als er gegangen war, trug Hilarius das Bündel zu dem Tisch, zog einen Stuhl heran, zündete zwei Kerzen an und begann zu lesen. Es handelte sich um Abschriften von Briefen, in denen von Gigging die Rede war, sowie um Informationen über dessen Beziehungen zu verschiedenen Handelsherren. Ebenso waren seine Aktivitäten als Geleitschutz und die Vorspanndienste verzeichnet, die seine Bauern und Kriegsknechte leisteten. Zuletzt entdeckte Hilarius eine Beschreibung des Besitzes des Ritters und gleich darunter die Überlegungen, die einer von Fuggers Leuten notiert hatte. Dieser hatte sich gewundert, weshalb Gigging, dessen Burg doch abseits aller Straßen lag, mit seinen Männern und Pferden ständig an den Handelswegen zu finden war.
Dies allein wäre kein Grund gewesen, sich Gedanken zu machen. Doch unter diesem Eintrag hatte ein anderer Schreiber mit abweichender Tinte vermerkt, dass kein Warentransport, den Gigging begleitet hatte, von den gefürchteten Räubern der Oberländer Bande angegriffen worden sei. Dahingegen seien mehrere Kaufherren, die Giggings Geleitschutz abgelehnt hatten, überfallen und samt ihren Knechten ermordet worden.
Eine weitere Anmerkung wies darauf hin, dass Ware aus Überfällen dieser Bande auf Märkten in Leipzig und Köln aufgetaucht wäre. Ihren Aussagen zufolge hätten die Käufer das Handelsgut über einen Kaufmann aus München erworben.
Hilarius unterbrach nachdenklich seine Lektüre. Wenn Fuggers Informationen stimmten, musste ein Händler aus München mit den Oberländer Räubern im Bunde sein. Ebenso auffällig erschien ihm die Tatsache, dass bislang noch kein von Gigging eskortierter Handelszug überfallen worden war, obgleich stärker geschützte Transporte ausgeraubt und die Leute bis auf den letzten Mann erschlagen worden waren.
Ganz zuunterst fand Hilarius jenes Blatt, auf dem Jakob Fugger seinen Verdacht festgehalten hatte, Gigging könnte Ernst Rickinger im Auftrag Doktor Portikus’ und Pater Remigius’ ermordet haben. Zwar hatte er dies schon von dem Kaufherrn selbst vernommen, aber es war etwas anderes, die Tatsache im Zusammenhang mit den zusätzlichen Informationen über den Ritter zu lesen. Wenn Gigging für eine Handvoll Gulden einen kaltblütigen Mord beging, konnte man ihm auch zutrauen, Warentransporte zu überfallen.
Als Hilarius dieser Gedanke durch den Kopf schoss, musste er erst einmal schlucken. Obwohl er für seinen Verdacht kein Indiz nennen konnte, war er so fest davon überzeugt, Gigging müsse das Haupt der Oberländer Bande sein, als hätte er den Raubritter bei dessen Schandtaten beobachtet.
Um Veva mitteilen zu können, was er erfahren hatte, nahm er ein Blatt
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