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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Einschnitt zwischen zwei hoch aufragenden Bergen, die Haselegner unüberwindlich erschienen. Um dorthin zu gelangen, mussten sie einen Pfad bewältigen, der so steil nach oben führte, dass zuletzt selbst Gigging abstieg und sein widerstrebendes Pferd hinter sich herzog. Der Kaufmann tat es ihm gleich und sprach, als er wieder festen Boden unter den Füßen spürte, ein leises Gebet.
    Der Aufstieg zum Pass war anstrengend, aber nicht mehr so gefährlich wie einige Stellen, die sie bereits passiert hatten. Sie konnten stellenweise wieder nebeneinander gehen und sich unterhalten. Gigging nannte seinem Begleiter die Namen der umliegenden Berge, zeigte ihm, in welcher Richtung die nächstgelegenen Städte lagen, und spottete immer wieder über die Beamten des Herzogs von Bayern und des Statthalters von Tirol, die seinen Besitz bei der letzten Grenzziehung übersehen hatten, so dass dieser zwischen den beiden Ländern lag, ohne einem davon zu gehören.
    Haselegner ließ ihn reden, denn er brauchte seinen Atem für den anstrengenden Weg. Daher war er froh, als sie die Passhöhe bewältigt hatten und es bergab ging. Doch schon bald bog Gigging wieder in einen steil ansteigenden Weg ein, und einige Zeit später sah Haselegner ein Tal vor sich, das zwei mächtige Bergriegel trennte. Am Eingang des Einschnitts lag ein einzelner Bauernhof mit einem langgestreckten, niedrigen Gebäude aus Holz, das mit flachen Steinplatten gedeckt war. Ein paar Männer waren dabei, Holz aus dem angrenzenden Wald zu schaffen, und winkten Gigging zu.
    Gigging erwiderte den Gruß beinahe übermütig. Die Männer zählten zum inneren Kern seiner Bande und waren seine Späher. Während des langen Winters hatten sie keinen einzigen Raubzug unternehmen können und warteten nun ungeduldig darauf, dass ihr Herr sie wieder rief. Im Augenblick aber gab es keine lohnende Beute. Entweder wurden die Warentransporte zu gut geschützt, oder sie gehörten Kaufherren, die Leute von ihm als Geleitschutz gemietet hatten.
    »Ihr könnt mit euren Pferden bald wieder Vorspanndienste leisten«, rief er den Männern zu.
    Diese verzogen die Gesichter. Verdorben durch das Geld, welches sie bei ihren Überfällen beinahe mühelos erbeuteten, verabscheuten sie nun die harte Arbeit der Vorspanndienste. Doch da sie Gigging fürchteten, nickten sie eifrig, und einer rief: »Wir sind bereit, Herr Ritter, zu tun, was Ihr von uns fordert!«
    »Das will ich euch auch geraten haben!« Gigging lachte und wies Haselegner an, schneller zu reiten. Das Tal wurde bald enger, und der Kaufmann konnte sehen, dass hier einmal die gesamte Flanke des Berges herabgestürzt war und mehr als die Hälfte des Tals unter sich begraben hatte.
    »Was ist hier passiert?«, fragte er seinen Begleiter.
    Gigging machte eine wegwerfende Handbewegung. »Zu Zeiten meines Großvaters hat der Berg drei unserer Dörfer unter sich begraben. Seitdem verfügen wir nur noch über den Hof am Taleingang und die fünf Höfe unterhalb der Burg.« Mit einem Mal klang seine Stimme bitter.
    Haselegner begriff, dass dieses Geschlecht damit schlagartig verarmt war, denn die verbliebenen Bauern waren kaum in der Lage, in dieser kargen Landschaft sich und die Bewohner der Burg zu ernähren. Auch das bewaffnete Geleit und die Vorspanndienste brachten nicht genug ein, um Gigging das Leben eines geachteten Edelmanns zu ermöglichen.
    Der Ritter wusste außerdem, dass die Zeit erfolgreicher Raubzüge sich dem Ende zuneigte. Reiche Kaufherren wie die Fugger und Welser in Augsburg oder die Tucher in Nürnberg ließen ihre Warentransporte immer besser bewachen. Hielt er sich zu sehr an die Kaufleute aus dem Gebiet Herzog Wilhelms, würde dieser um seine Steuern bangen und die Suche nach den Räubern kräftig ausdehnen. Zwar bildeten Giggings Männer eine verschworene Gemeinschaft, aber wenn der erste von ihnen gefasst wurde und unter der Folter redete, war es mit seinem herrlichen Leben als Raubritter vorbei. Nicht zuletzt deshalb wollte er Haselegner ausnehmen wie eine fette Gans und mit dem Geld einen Landbesitz erstehen, der ihm mehr einbrachte als diese Bergwildnis.
    Während die Männer in ihre Gedanken versunken nebeneinander herritten, sah Haselegner mit einem Mal die Burg. Sie stand auf einem einzelnen Bergstock hoch oben am Ende des Tals und wirkte mit ihren festen Mauern und dem wuchtigen Bergfried uneinnehmbar. Erst als sie näher kamen, konnte er erkennen, dass das Bauwerk arg vernachlässigt worden war. Die Mauern

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