Die Ketzerbraut. Roman
er kein reicher Kaufmann mehr, denn Susannes Verwandtschaft hatte während seiner Ehe mit ihr alles davongeschleppt, was sie hatten tragen können, und überdies noch Waren auf seinen Namen gekauft.
Ernst hatte gehofft, der Vater würde nach dem Scheitern seiner Ehe zur Vernunft kommen und sich mit ihm versöhnen wollen, doch dazu war dieser nach wie vor nicht bereit.
Noch während er darüber nachdachte, holte Kreszenz sie ein. »Es war ein guter Gedanke von Euch, Euer Weib von dort wegzubringen, Herr Ernst, und ein ebenso guter, mich rufen zu lassen. Sollen andere gaffen, während der arme Kerl zugrunde geht. Ich für meinen Teil freue mich darauf, mit Eurer Frau und Lina ein paar Becher Bier zu trinken und zu schwatzen.«
»Ich werde dann wohl besser in den ›Schwab‹ gehen und dort einen Krug Bier leeren.«
»Tu das! Aber komm nicht zu spät zurück.« Veva drückte ihn kurz an sich und blickte dann nach vorne. Doch sie sah nicht die Straßen Münchens vor sich, sondern das Haus in Augsburg, in dem sie bald leben würde. Wenn Gott ihnen weitere Kinder schenkte, würden sie anbauen müssen, damit auch genug Platz für Hilarius und Rosi und deren wachsende Kinderschar blieb. Zum Glück war ihr Grundstück dort groß genug.
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Historischer Hintergrund
D ie ersten Jahrzehnte des sechzehnten Jahrhunderts brachten Umwälzungen mit sich, die die Welt grundlegend verändern sollten. Kurz zuvor hatten die Portugiesen Indien erreicht und Christoph Kolumbus Amerika. Dadurch kamen neue Güter nach Europa, und der Indienhandel, der bislang über Arabien und Italien getrieben worden war, wurde immer stärker über die Iberische Halbinsel abgewickelt. Kaufleute, die sich rasch genug auf die neue Situation einstellten, vermochten ein sagenhaftes Vermögen zu schaffen. Zu diesen gehörte Jakob Fugger, einer der reichsten Männer seiner Zeit, der nicht nur ein gewaltiges Handelsimperium aufbaute, sondern durch sein Geld auch Einfluss auf die Potentaten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nehmen konnte. So sicherte er König Carlos von Spanien, dem Enkel Kaiser Maximilians I., durch die Bestechung der Kurfürsten dessen Nachfolge auf dem Thron Karls des Großen. Die große Zahl seiner Niederlassungen und Handelskontore nutzte Jakob Fugger auch, um wichtige Informationen zu sammeln, die er bei seinen Geschäften und in Verhandlungen mit Fürsten und Königen verwenden konnte. Obwohl der Weg nach Augsburg meist länger war als in die jeweiligen Hauptstädte, wusste Fugger häufig über Probleme und auch über Verdienstmöglichkeiten besser Bescheid als die jeweiligen Herrscher oder seine Konkurrenten.
Doch es wurden nicht nur neue Kontinente entdeckt und neue Handelsrouten erschlossen, auch in der Religion wurden neue Wege beschritten. Als der Augustinermönch Martin Luther seine fünfundneunzig Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlichte, löste er eine Lawine aus, welche die katholische Kirche anders als vorhergehende Rebellionen nicht mehr zu stoppen vermochte. Dazu kam es, weil in Frankfurt Johannes Gensfleisch, der sich selbst Gutenberg nannte, den Buchdruck mit beweglichen Lettern auch für Europa entdeckt hatte, der in China bereits seit Jahrhunderten bekannt war. Damit gab er Luther und den anderen Reformatoren ein Medium in die Hand, mit dem sie ihre Schriften in großer Zahl unters Volk bringen konnten.
Der seit Jahrhunderten immer wieder aufflammende Kampf zwischen den Anhängern einer armen, den Menschen dienenden Kirche und den kirchlichen Pragmatikern der Macht nahm einen neuen Anfang und spaltete schließlich die westliche Kirche. Dabei war der Klerus im Grunde nur ein Spiegelbild seiner Zeit. Papst und Bischöfe sahen sich als Kirchenfürsten und benahmen sich größtenteils auch so wie andere Fürsten. Sie sammelten Ämter und Pfründe, hielten sich Mätressen und zogen teilweise sogar an der Spitze ihrer Heere in den Krieg.
Mit Seelsorge hatte diese Lebensweise wenig zu tun. Dafür waren die Priester zuständig, die ihrerseits jedoch ihren Vorgesetzten nacheiferten, Pfarrstellen sammelten und diese wiederum durch niederrangige Geistliche verwalten ließen. Für Männer, die eine Kirche in Armut anstrebten, hatten diese Kleriker nur Verachtung übrig und Hass, da sie sich von diesen in ihrer Lebensweise bedroht sahen.
Hohen Herren gegenüber drückten sie jedoch manches Auge zu. Kardinal Thomas Cajetanus zum Beispiel, der, wie im Roman beschrieben, in Augsburg mit Martin Luther
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