Die Ketzerbraut. Roman
Haselegner, ob sie ihm einen Becher Wein anbieten dürfe.
»Aber gerne«, antwortete dieser erfreut.
»Wein um diese Zeit? Am Morgen trinken ehrliche Leute Bier«, blaffte ihr Vater dazwischen.
»Eure Tochter wollte nur gastfreundlich sein, Herr Leibert, und ein Becher Wein hätte gewiss nicht geschadet. Aber ich trinke auch gerne Bier.«
»Das könnt Ihr haben, Haselegner. Bring mir auch einen frischen Krug mit!« Ohne dass Veva es gewahr worden war, hatte ihr Vater seinen Krug bereits geleert und streckte ihr das Gefäß hin.
Veva nahm es entgegen und verließ eilig das Zimmer, um der frostigen Atmosphäre darin wenigstens für einige Augenblicke entkommen zu können.
16.
H aselegner wartete, bis Veva den Raum verlassen hatte, und wandte sich dann dem Hausherrn zu. »Eure Tochter hat ein bemerkenswert kräftiges Gemüt, Leibert. Nur wenige Weiber hätten einen solchen Schicksalsschlag so gleichmütig hingenommen. Immerhin wurde ihr Bruder ermordet, Euer Sohn!«
»Veva wurde dazu erzogen, sich zu beherrschen. Genau daran mangelt es den meisten Frauenzimmern«, antwortete Leibert harsch.
»Vielleicht will sie nur nicht mehr an ihr Unglück gemahnt werden. Die Erinnerung dürfte allzu schmerzlich für sie sein. Schließlich musste sie für den Mörder des eigenen Bruders die Schenkel spreizen! Es dürfte Leute geben, die ihr vorwerfen werden, dass ihr dies lieber gewesen ist, denn als sittsame Jungfrau in den Tod zu gehen.«
»Nicht jeder will gerne sterben!« Leibert dachte dabei vor allem an sich und daran, wie sehr er seinen Leib verfluchte, der ihn immer mehr im Stich ließ. »Aber reden wir von etwas anderem. Als Dank für die Rettung meiner Tochter werde ich mich an Eurem Venedig-Handel beteiligen. Der Hof kauft Waren von dort zu beinahe jedem Preis. Außerdem können wir auch in Landshut gutes Geld verdienen, denn seit Herzog Ludwig von dort aus das niedere Bayern regiert, floriert in dieser Stadt der Handel.«
»Mir geht es nicht um Geld, Leibert. Was ich tat, tat ich für Euch und Eure Tochter!«
»Jeder Dienst ist seines Lohnes wert, und damit basta.«
Haselegner spürte, dass er zumindest an diesem Tag nicht mehr erreichen konnte, und kniff verärgert die Lippen zusammen. Sein Gastgeber kümmerte sich nicht weiter um ihn, sondern blätterte in seinem Rechnungsbuch, als erwarte er, dass sein Besucher gehen würde.
Dazu war Haselegner jedoch nicht bereit. Er wartete, bis Veva mit zwei Krügen Bier zurückkam und diese auf den Tisch stellte. »Danke, Jungfer. Ein guter Trunk ist Goldes wert!«
»Vor allem, wenn er nichts kostet«, murmelte Leibert.
Er begriff aber, dass es ungefällig wäre, den Gast weiterhin zu missachten, und hob seinen Krug. »Auf unseren Venedig-Handel, Haselegner.«
Gleichzeitig nahm er sich vor, dass dies das einzige von Haselegners Geschäften bleiben würde, in das er Geld stecken würde.
»Soll ich in die Küche gehen, damit Ihr allein mit Herrn Haselegner sprechen könnt, Herr Vater?«, fragte Veva in der Hoffnung, dass ihr Vater sie wegschicken würde, doch dieser schüttelte den Kopf.
»Ich brauche dich hier, damit du das Rechnungsbuch weiterführst. Es ist schon ein Kreuz, wenn einem die Gicht so in die Finger fährt, dass man die Feder kaum mehr halten kann!«
Haselegner nickte eifrig. »Bei meinem Vater war dies auch so. Aber das ist nun mal der Lauf der Welt. Ist man jung, könnte man singen und springen, doch das Alter lädt einem jedes Jahr neue Lasten auf die Schultern.«
»So sehr drückt mich das Alter noch nicht«, wehrte Leibert nicht ganz wahrheitsgemäß ab, während er darüber nachsann, wie er den ungebetenen Gast loswerden könne. Das, was er Veva diktieren wollte, ging Haselegner wirklich nichts an.
Doch bevor ihm etwas einfiel, rumpelte es an der Tür, und Ernst Rickinger stürmte herein, das Gesicht bleich wie ein Leinentuch. »Verzeiht, Leibert, aber stimmt es? Bartl soll tot sein? So sagen wenigstens die Leute. Aber das kann ich nicht glauben.«
»Mit dem Glauben hast du es eh nicht so«, spottete Haselegner, der ebenso wie Vevas Vater um Ernsts Privatfehde mit Doktor Portikus und anderen geistlichen Herren in München wusste.
Ernst beachtete ihn nicht, sondern sah Leibert so entsetzt an, dass dieser eine barsche Antwort hinunterschluckte. »Leider sprechen die Leute die Wahrheit. Ruchlose Räuber haben den Reisezug meines Sohnes überfallen, ihn umgebracht und Veva verschleppt.«
»Aber sie ist doch hier!«, rief Ernst.
»Weil ich
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